Koch wurstelt sich durch

Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen: Hessens Ministerpräsident hat viel gelernt von Exkanzler Helmut Kohl

aus Frankfurt am Main HEIDE PLATEN

Nie zuvor hat jemand außer Helmut Kohl so dauerhaft ausgesessen wie der hessische Ministerpräsident Roland Koch, beinhart konservativer Widerpart der neuen Führung der Bundespartei und mit der Rückenstärkung der beiden alten Männer der Südschiene, Erwin Teufel und Edmund Stoiber. Während sich die hessische Union im Gestrüpp der eigenen Widersprüche verliert, mauert sie bei der offiziellen Aufklärung konsequent. Sie schöpft alle rechtlichen Mittel zur Behinderung des Landtags-Untersuchungsausschusses und des Wahlprüfungsgerichtes aus. Koch spielt auf Zeit, an seiner Seite steht die nibelungentreu zu ihm haltende FDP.

Dennoch werden die Verantwortlichen in der hessischen Union immer nervöser. Die Dementis aus der Chefetage verlieren ihre Gelassenheit, werden immer kürzer und giftiger. Die „Rufmordkampagne“ von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sei „an Niederträchtigkeit nicht zu überbieten“: „Das ganze grenzt schon an Menschenverfolgung.“ Koch zog sich während der Angriffe der Opposition in der Plenardebatte letzte Woche beleidigt auf die letzte Bank zurück. Er wolle, verkündete er, „lieber seine Akten lesen“, als sich die Vorwürfe „unter der Gürtellinie“ anzuhören.

In der Nacht zum Sonntag bezog der Ministerpräsident in ZDF und ARD – leicht unrasiert – zu den neuesten Vorwürfen im Zusammenhang mit Spenden an die parteinahe „Hessische Akademie für politische Bildung“ Stellung. Auch die seien haltlos, „ein Medienspektakel“. Unterstützung erhielt er gestern vom Chef der CDU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz. Koch genieße „das volle Vertrauen der Union“ und leiste „hervorragende Arbeit“.

Es hört einfach nicht auf, auch nicht nach der Sommerpause. Gestern war wieder ein harter Tag nach der schweren Nacht für Koch. Am Samstag schon hatte der Hessische Rundfunk (HR) die Recherche-Ergebnisse seiner Akteneinsicht bei der Wiesbadener Staatsanwaltschaft öffentlich gemacht. Danach habe der Haftpflichtverband der Deutschen Industrie (HDI) der hessischen CDU 1998 und 1999 mit drei Spenden von insgesamt 450.000 Mark unter die Arme gegriffen. Das Geld wanderte, wie der Versicherungskonzern inzwischen bestätigte, in die Kasse der „Akademie für politische Bildung“. Koch bestritt noch in der Nacht, dass es von dort gewaschen in die Kasse der Landes-CDU geflossen sei.

Gestern Vormittag kam es wieder hageldick. Ein „hochrangiges Parteimitglied“, legte der HR nach, habe inzwischen offenbart, dass noch bis in dieses Jahr hinein, unbestreitbar unter der Ägide von Koch, in Wiesbaden eine parteiinterne Schwarzkasse existiert habe, dass Kassenbücher gefälscht, Spendensummen in nach dem Parteispendengesetz nicht anzeigepflichtige Beträge aufgeteilt und Eingangsdaten „handschriftlich abgeändert“ worden seien.

Koch aber tut, was er immer tut und kann: aussitzen. Auf der Expo in Hannover schwang er den Bembel und schenkte Apfelwein ein. Und wenn es eng wird, dann kocht er auch wieder, bei der Weltausstellung zum Beispiel das Menü des Bundeslandes Hessen. Nur mochte dort so recht keiner das Blutwurstmenü mit den neckisch angerichteten Apfelscheiben bestellen. Zu gewöhnungsbedürftig für außerhessische Zungen. Roland Koch ficht das so wenig an wie die neuen Enthüllungen. Er wurstelt alles in Scheiben und strahlt in die Kameras, als sei nichts gewesen. Dabei ist seit fast einem Jahr kaum ein Tag vergangen, an dem er sich nicht wegen der hessischen Schwarzgeldaffäre verantworten musste. Wöchentlich gab es neue Enthüllungen, neue Vorwürfe. Nicht nur gegen das Trio infernale Weyrauch, Wittgenstein und Kanther. Auch immer wieder gegen ihn und seinen Adlatus, den Chef der Staatskanzlei, Franz Josef Jung.

Was haben die beiden gewusst von den schwarzen Konten, aus denen die Kreisverbände bedient, der Wahlkampf 1999 finanziert wurde? Immer wieder stereotyp die gleiche Salamitaktik: Nichts, rein gar nichts, oder nur dann, wenn es nicht mehr anders geht. Wenn aber Staatsanwälte oder Spiegel-Journalisten Gegenteiliges herausfinden, dann wissen sie doch ein bisschen. Aber nichts dafür gekonnt, keinen Verdacht geschöpft, schlussendlich „brutalstmöglich aufgeklärt“. Im Zweifelsfall wird erst mit Papier erschlagen und dann abgebügelt: alles nichts Neues, alles schon bekannt, alles „Räuberpistole“, „Hetzkampagne“, „schmutzige Phantasie“.