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Gutachten zum Gefallen

■ Prozess gegen Kritischen Polizisten geht weiter. Gegengutachten zweifelt an Seriosität der Erstgutachterin

Der Prozess um den Aktenklau im Dezernat für Kfz-Diebstahl – Organisierte Kriminalität (LKA 234) an der Stresemannstraße gegen den Sprecher der „Kritischen PolitzistInnen“ Thomas Wüppesahl könnte heute platzen. Grund: Ein Gutachten stellt die Seriosität der Schriftgutachterin Mechthild Niehoff infrage. Mit der Glaubwürdigkeit der 38-jährigen Sachverständigen aber steht und fällt die Anklage gegen den Kritischen Polizisten.

Als gelernter Wirtschaftskriminalist gibt sich Wüppesahl nunmehr gelassen: „Da kommt nur ein Freispruch infrage,“ sagt er der taz hamburg. Aber als Polizist, der schon oft als „Nestbeschmutzer“ bezeichnet wurde, weiß Wüppesahl auch, dass in seinem Fall nicht nur rechtsstaatliche Regeln gelten. „Sie wollen mich kaltstellen und aus dem Polizeidienst entfernen“, sagt er und rechnet deshalb nicht damit, dass Amtsrichter Berthold Herrmann, der offenbar bemüht ist, das Verfahren in Formel-1-Geschwindigkeit durchzuziehen, dem Antrag auf ein weiteres Gutachten entspricht.

Die Geschichte dieses Prozesses beginnt schon im Frühjahr 1997. Damals waren im LKA 234 bekanntlich 72 Fallakten verschwunden (taz hamburg berichtete). Der LKA-234–Leiter Klaus Gneckow machte damals den Sachbearbeiter Herrmann Bünning dafür verantwortlich, dem er die Bagatell-Akten übergeben haben will.

Doch Bünning will mit dem Verschwinden der Akten nichts zu tun haben. . Als Wüppesahl der Dienststelle wegen der offensichtlichen Schlampereien den Datenschutzbeauftragten auf den Hals hetzte, der die „lausigen Verhältnisse“ (Herrmann) bestätigte, geriet Wüppesahl selber ins Visier der internen Ermittler. Dabei mag eine Rolle gespielt haben, dass einige der verlorenen Akten im August 1998 ano-nym an Zeitungsredaktionen geschickt worden waren. Doch eine Hausdurchsuchung bei Wüppesahl brachte nichts, was ihn belastete.

Dreh- und Angelpunkt ist daher das Gutachten der externen Sachverständigen Mechthild Niehoff. Sie glaubt in der Beschriftung von einem der zahlreichen Umschläge „Ähnlichkeiten“ mit der Handschrift Wüppesahls erkannt zu haben. „Gefälligkeitsgutachten“ wehrt Wüppesahl ab, und es wundert den Polizisten, warum die Staatsanwaltschaft nicht auf die eigenen Schriftsachverständigen beim Landeskriminalamt (LKA) zurückgegriffen hat.

Und auch der renommierte Schriftsachverständige Dr. Peter Baier von der Universität Mannheim kann die Schlüsse der Expertin nicht nachvollziehen. Er nennt das Gutachten „unvollständig“ und in „Teilen unzutreffend, da Befunde als übereinstimmend beschrieben sind, die zweifelsfrei abweichend sind“. Baiers Resümee. „Ich kenne die Sachverständige Niehoff seit vielen Jahren und schätzte sie als gut ausgebildete und kompetente Kollegin.“ Daher überrasche ihn „die in diesem Fall unter mehreren Gesichtspunkten als wenig sorgfältig einzustufende Arbeit“.

Kai von Appen

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