: Neuer Milizenterror
Proindonesische Milizen überfallen ein Büro des UNO-Flüchtlingswerkes in Westtimor. Berichte über drei Tote
BANGKOK taz ■ Ein Jahr nachdem proindonesische Milizen Osttimor mit Terror überzogen, sorgen sie noch immer für Gewalt: So überfielen gestern tausende Milizionäre im indonesischen Westtimor ein Büro des Flüchtlingshilfswerkes UNHCR. Das Gebäude in einem Lager der Stadt Atambua an der Grenze zu Osttimor ging in Flammen auf. Drei ausländische UN-Mitarbeiter kamen nach ersten Berichten ums Leben. Sie seien erschlagen und später verbrannt worden, heißt es. Mehrere UN-Angestellte wurden verletzt.
Während indonesische Sicherheitskräfte nicht fähig oder willig waren, den Mob zu stoppen, versuchten in Osttimor stationierte Blauhelme mit Hubschraubern die anderen Mitarbeiter auszufliegen. 30 UN-Helfer betreuen in den Lagern des Grenzgebietes noch 100.000 Flüchtlinge. Nach dem Unabhängigkeitsreferendum vom August 1999 waren 250.000 Osttimoresen vertrieben worden.
Der Überfall ist der jüngste in einer Serie der Gewalt: Erst vor wenigen Tagen hatte das UNHCR seine Arbeit in den Lagern wieder aufgenommen, nachdem im August drei Mitarbeiter von Milizen zusammengeschlagen worden waren. Auslöser der gestrigen Attacke war wohl der Tod eines Milizenführers. Der Mann wurde am Dienstag ermordet aufgefunden. Er soll besonders grausam gegen Unabhängigkeitsgegner gewütet haben.
Der Überfall auf das Flüchtlingslager zeigt erneut, wie ohnmächtig oder unwillig Indonesiens Behörden sind, dem Treiben der Milizen ein Ende zu setzen. Obwohl die Regierung in Jakarta wiederholt versprach, Flüchtlinge und Helfer zu schützen, geschah wenig. Bis heute leugnen indonesische Politiker und Militärs, dass sie die Milizen im vergangenen Jahr bewaffnet und finanziert haben, um Osttimors Unabhängigkeit zu verhindern. Nach der Niederlage errichteten die Milizen Stützpunkte in den Flüchtlingslagern in Westtimor. In den letzten Monaten sickerten bewaffnete Milizionäre in osttimoresisches Gebiet ein. Im Sommer starben zwei Blauhelme in einen Hinterhalt.
Anfang September veröffentlichten Indonesiens Behörden eine Liste von 19 Politikern und Offizieren, die für die Verbrechen in Osttimor im vergangenen Jahr verantwortlich sein sollen. Ihnen droht ein Prozess. Zwei wichtige Figuren fehlen jedoch: Ex-Armeechef und -Verteidigungsminister Wiranto und Milizenführer Eurico Guterres.
Die deutsche Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia fordert von der Bundesregierung, sich in Jakarta dafür einzusetzen, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Noch immer habe die indonesische Regierung ihr Versprechen nicht erfüllt, die Milizen zu entwaffen. Das Maß, so Monika Schlicher von Watch Indonesia zur taz, sei „mehr als voll“. JUTTA LIETSCH
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