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Grüne entdecken Gentechnik neu

Bundestagsfraktion will nach ihrer Klausur am Freitag bioethische Meinungsführerschaft übernehmen

BERLIN taz ■ Die Grüne Bundestagsfraktion will künftig die Auseinandersetzung um die Gentechnologie zu einem ihrer Schwerpunkte in der Regierungsarbeit machen. Das Feld soll nicht allein dem Regierungspartner überlassen bleiben. „Wir müssen eine pragmatische Position finden“, erklärte Reinhard Loske, der umweltpolitiche Sprecher der Fraktion, „nur so können wir auch Einfluss auf die jetzt anstehenden Entscheidungen gewinnen“.

Gelegenheit, über die grünen Positionen zur Gentechnik zu diskutieren, werden die Fraktionsmitglieder am Freitag auf ihrer Klausurtagung im brandenburgischen Joachimsthal haben. Dort werden sie sich in einer Schwerpunktdiskussion mit dem Thema „Mensch und Gentechnik“ befassen. Als externe Fachreferenten haben sie den Washingtoner Genkritiker Jeremy Rifkin, Bioinformatik-Professor Jens Reich vom Max-Delbrück-Centrum (MDC) in Berlin-Buch und den FAZ-Ressortchef Frank Schirrmacher geladen.

Konkrete Beschlüsse werden nicht erwartet. Die Klausurtagung solle vielmehr als „Ausgangspunkt“ dienen, so Loske, „für eine breite Diskussion in der Fraktion“. Bisher hätten sich nur einzelne Abgeordnete mit dem Thema beschäftigt. Um bei den jetzt anstehenden Entscheidungen eine Meinungsführerschaft einnehmen zu können, sei es notwendig, dass sich die gesamte Fraktion des Themas annehme. Das von der Berliner Zeitung vor einiger Zeit aufgegriffene Gerücht, er sei als künftiger „biopolitischer Sprecher“ der Fraktion vorgesehen, wies Loske entschieden zurück: Das sei doch längst schon dementiert worden. Die Zeitungsmeldung hatte hinter den Kulissen für heftigen Streit in der Fraktion gesorgt.

Fünf Punkte nennt der Umweltpolitiker, die demnächst zur Entscheidung anstehen und bei denen die Grünen sich verstärkt einbringen müssen: die Umsetzung der europäischen Richtlinie für Biopatente, das derzeit zur Diskussion stehende Fortpflanzungsmedizingesetz, die Ratifizierung des Biosafety-Protokolls, ein mögliches Gesetz für Gentests und das weitere Vorgehen bei dem In-Verkehr-Bringen von gentechnisch veränderten Organismen. Insbesondere bei dem letzten Punkt, den Bundeskanzler Schröder zur Chefsache erklärt hat, dürften die Grünen nicht tatenlos zu sehen. Schröder hatte der unter Akzeptanzmangel leidenen „grünen Gentech-Industrie“ einen Deal angeboten. Sie sollte für die nächsten drei Jahre darauf verzichten, neue Gentech-Pflanzen auf den Markt zu bringen. Dafür würden sie dann später mit Erleichterungen bei den Genehmigungsverfahren belohnt werden. In der Zwischenzeit sollte vermehrt Sicherheitsforschung betrieben werden. „Wir wollen ein ergebnisoffenes Moratorium“, so Loske, „mit einer Begleitforschung, die auch einen ehrlichen Dialog mit der Öffentlichkeit einschließt.“ Für Maßnahmen zur Akzeptanzbeschaffung würden die Grünen sich nicht hergeben. Wichtig sei aber, so Loske, dass die Grünen sich von ihrer Position „Wir sind dagegen“ verabschieden würden. Es seien differenzierte Aussagen notwendig.

Auch Monika Knoche, die für die Grünen in der Enquetekommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ sitzt, sieht die Notwendigkeit, dass sich die Fraktion eingehender mit dem Thema Gentechnik befasse. Für eine Überdenken der grünen Positionen sieht sie jedoch keinen Anlass: „Die Beschlüsse liegen doch alle vor.“ WOLFGANG LÖHR

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