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Fahnder leisten Bayern einen Bärendienst

Das gegen Schreiber laufende Auslieferungsverfahren bringt kanadische Ermittler erst auf die Spur möglicher Bestechungsvorgänge. Sie durchsuchten 1999 die Räume von Eurocopter, Nachfolgefirma des Flugzeugbauers MBB. Damit gerät auch der Freistaat Bayern in Bedrängnis

AUGSBURG taz ■ Der Rüstungslobbyist Karlheinz Schreiber wartet beim taz-Gespräch in Toronto mit einer exklusiven Information auf: Die gegen ihn laufenden Ermittlungen sowie das Auslieferungsersuchen einer deutschen Behörde an Kanada hätten dafür gesorgt, dass Kanadas Polizei und Justiz jetzt Ermittlungen gegen den Fluggeräthersteller Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) und somit gegen das Land Bayern eingeleitet hätten.

Diese Ermittlungen stehen im Zusammenhang mit der Genehmigung so genannter „Nützlicher Aufwendungen“. Weniger höflich formuliert sind das Bestechungsgelder zur Erlangung ausländischer Großaufträge. Der Großauftrag, um den es in diesem Zusammenhang konkret geht, war der Verkauf von zwölf MBB-Hubschraubern an die kanadische Küstenwache im Jahr 1985.

„Es gab bereits erste Durchsuchungen im Zuge des kanadischen Ermittlungsverfahrens und zwar bei einer meiner kanadischen Firmen“, erläutert Schreiber. Der Hintergrund: Zu der Zeit, als MBB der kanadischen Küstenwache die zwölf Hubschrauber verkaufte, war der Freistaat Bayern MBB-Mehrheitseigner und kam dadurch in Interessenskonflikte. „Der damalige bayerische Finanzminister Max Streibl, dessen Ministerium die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schmiergeldern, sprich Nützlichen Aufwendungen, genehmigte, war gleichzeitig Aufsichtsratschef von MBB“, so Schreiber.

Die Firma MBB gibt es inzwischen nicht mehr. Die Hubschraubersparte ging zunächst in der Dasa auf und wurde später wieder ausgegliedert. Nachfolgekonzern ist die deutsch-französische Firma Eurocopter, die wiederum zum vor kurzem fusionierten europäischen EADS-Konzern gehört. EADS-Pressesprecher Rainer Ohler bestätigte gegenüber der taz, dass es im kanadischen Büro von Eurocopter in dieser Sache eine Durchsuchung gegeben habe, und zwar bereits im Dezember 1999. Akten zu den 15 Jahre alten Vorgängen seien aber nicht mehr vorhanden gewesen. Bis jetzt seien dem Konzern weder die Ergebnisse der Ermittlungen bekannt geworden, noch habe Kanada Forderungen gegenüber dem Rechtsnachfolger von MBB erhoben.

Keine Schmiergelder zulässig

Karlheinz Schreiber kann derweil seine klammheimliche Freude nicht verhehlen, dass diese Ermittlungen erst durch das von Deutschland gegen ihn betriebene Auslieferungsverfahren in Gang gekommen sind. In den Verträgen, die MBB mit der Küstenwache Kanadas abgeschlossen hat, stehe ausdrücklich, dass keine Schmiergelder, sprich Kommissionen, bezahlt werden dürfen.

Im Zuge des Auslieferungsverfahrens gegen ihn habe nun die Augsburger Staatsanwaltschaft ausführliche Unterlagen nach Kanada geschickt. Daraufhin seien die Kanadier hellhörig geworden.

„Somit hat der Herr Kindler (von der Steuerfahndung Augsburg, d. Red.) über das Rechtshilfeersuchen nach Kanada ein Ermittlungsverfahren der Kanadier gegen MBB und somit letztlich den Freistaat Bayern eingeleitet“, feixt Schreiber. „Und jetzt frage ich Sie: Ist das Schildbürger oder nicht?“

Dabei habe er selbst aus diesem Geschäft gar keine Provisionen erhalten. Bereitwillig erläutert er das Zustandekommen des Huschrauberdeals: Er habe den MBB-Leuten in Kanada die Lobby-Firma GCI (Goverment Consulting International) empfohlen. „Und die Kanadier brauchten ja einen Treuhänder, auch den habe ich ihnen empfohlen. Das war Pelossi mit seiner IAL.“ Schreiber berichtet weiter, er habe dann mit seinem früheren Partner, dem Schweizer Treuhänder Giorgio Pelossi, gebrochen, weil dieser Geld der Geschäftspartner gestohlen habe. Daraufhin sei dieser wenig später als Hauptbelastungszeuge aufmarschiert und habe ihn, Schreiber, bei der Steuerfahndung angezeigt.

Im Zusammenhang mit der MBB-Hubschaubergeschichte werde auch deutlich, warum er, Schreiber, so massive Vorwürfe gegen den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber erhebe. Dieser hätte niemals erlauben dürfen, „dass diese Provinzignoranten in Augsburg solche Fälle bearbeiten, ohne dass man ihnen versierte Leute aus dem Justiz-, Wirtschafts- und Finanzministerium dazustellt und darüber erst mal redet“. Seit 1997 habe er Stoiber Unterlagen geschickt und ihm angeboten, alle Dokumente, die den Ablauf der hinterfragten Geschäfte beleuchten, an seinem damaligen Wohnort in der Schweiz einzusehen.

Im bayerischen Finanzministerium heißt es zu den angeblichen Ermittlungen gegen MBB und den Freistaat Bayern, davon sei im Hause nichts bekannt. Das Hubschraubergeschäft sei auch schon 15 Jahre her und kaum nachvollziehbar. Der Sprecher des Ministeriums verweist an die Münchner Staatsanwaltschaft, doch auch dort ist von den angeblichen Ermittlungen nichts bekannt, wie der stellvertretende Behördenleiter, Horst Lehmpuhl, erklärt.

Auch der Chef der Augsburger Staatsanwaltschaft, Reinhard Nemetz, weiß nichts von entsprechenden Ermittlungen der Kanadier, hält diese aber für wenig wahrscheinlich. Ermittlungen würden sich nicht gegen einen Staat oder ein Land richten, sondern immer gegen Einzelpersonen. Außerdem seien solche Dinge doch wohl längst verjährt. Zudem könne seine Behörde doch keine Rücksicht darauf nehmen, was womöglich deren Ermittlungen alles auslösen.

Keine Verjährungsfrist in Kanada

Was die Verjährung angeht, dürfte sich Nemetz täuschen. Unseren Informationen nach gelten in Kanada für derartige Verstöße keine vergleichbaren Verjährungsfristen wie in der Bundesrepublik. Schreiber wiederum irrt nach Meinung von Rechtsexperten bezüglich der Haftbarkeit des Freistaats Bayern.

Wenn von Kanada aus jemand haftbar gemacht würde, sei es wohl der Rechtsnachfolger, also Eurocopter. Äußerst unwahrscheinlich sei ein „Durchgriff auf den damaligen Gesellschafter“, sprich also das Land Bayern. Doch solange die Ermittlungen der Kanadier nicht abgeschlossen sind, ist alles möglich.

KLAUS WITTMANN

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