piwik no script img

Das Ausschalten der Fundamentalopposition

■ Es knistert im Kulturbereich: Soll die Controlling-Gesellschaft kmb zum „Kulturpapst“ befördert werden? Die SPD zweifelt, Kultursenator Bernt Schulte (CDU) zögert, doch CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff drängt

Kultursenator Bernt Schulte (CDU) stellt sich jetzt die Grundsatzfrage: Soll er der Controlling-Gesellschaft kmb zentrale Aufgaben von der Kulturverwaltung übertragen und sie beleihen? Oder soll er verfügen, dass weiterhin die Abteilung der Behörde die Zuschüsse an Theater, Museen und ungezählte andere Einrichtungen vergibt? Der Chef der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Jens Eckhoff, hat eine glasklare Ansicht: Die kmb muss ran. Im taz -Interview bekräftigt er seine Kritik an der Kulturverwaltung und bezeichnet sie als Fundamentalopposition. Außerdem stellt er in Aussicht, dass der Kulturetat ab 2002 nicht wie geplant gekürzt wird. Auch beim Musical „Jekyll & Hyde“ räumt er politische Fehler ein.

taz: Die SPD mag die kmb jetzt doch nicht mehr beleihen. Was sagt der CDU-Fraktionschef dazu?

Jens Eckhoff: Wir wollen die kmb-Beleihung nach wie vor möglichst kurzfristig durch die politischen Gremien verabschieden lassen. Bis zum 1. Januar 2001 soll das Ganze über die Bühne gegangen sein. Wenn die SPD jetzt noch Fragen hat, werden wir die klären.

Die SPD hat aber nicht nur Fragen, sondern sagt, die kmb-Beleihung sei schwierig.

Es gibt im Moment eine allgemeine Diskussion über die Frage der Aufsichtsmöglichkeiten von Parlamentariern über die Arbeit der städtischen GmbHs. Darüber muss auch gesprochen werden. Insgesamt hat sich das Verfahren aber bewährt.

Sie wollen die Kulturverwaltung weiterhin, wie Sie vor Wochen gesagt haben, ausmisten?

Wir haben im letzten Jahr viele Erfahrungen mit der Arbeit der kmb auf der einen Seite und der Kulturverwaltung auf der anderen Seite gemacht. Ich kann zu fast jedem Thema feststellen, dass die Entscheidungsvorlagen der kmb immer Lösungswege aufgezeigt haben, und aus der Kulturverwaltung kamen immer nur Vorlagen, wie etwas nicht geht. Und das zeigt mir deutlich, dass die Auslagerung in die kmb der richtige Weg ist.

Kultursenator Schulte hat gesagt, dass das für ihn noch offen ist.

Es hilft doch nichts, alles immer von vorne zu diskutieren. Irgendwann müssen auch Entscheidungen getroffen werden. Ich habe Senator Schulte immer so verstanden, dass er die Beleihung mitmacht, wenn dadurch keine zusätzlichen Kosten entstehen. Zurzeit hat die kmb acht Mitarbeiter, sie braucht für die zusätzlichen Aufgaben drei weitere Mitarbeiter. Die können aus der bestehenden Kulturverwaltung kommen.

Die kmb muss sich zusätzliches Personal aus dem vorhandenen Stamm holen?

Ja.

Was macht die kmb – sogar zum Teil mit den gleichen Leuten – so viel besser als die Kulturverwaltung?

Ich glaube, dass die Umorganisation zu einem enormen Aufbruch des Systems geführt hat. Zweitens glaube ich, dass die von der Geschäftsführung ausgehende Arbeit auf die Mitarbeiter ausstrahlt. Im Bereich Waldau-Theater oder den Orchestern hat die kmb Zahlen und Material geliefert, auf dem man aufbauen kann.

Was unterscheidet die Kulturverwaltung denn von anderen Bereichen – oder wird da nur nachvollzogen, was in anderen Bereichen gemacht worden ist?

Wir vollziehen im Kulturbereich, was in anderen Bereichen schon gemacht worden ist. Im Kulturbereich ist es besonders schwierig, weil Kultur dadurch geprägt wird, dass man Sachen kritischer hinterfragt als anderswo und vielleicht auch mehr die Oppositionsrolle spielt. Das schlägt sich auch auf eine Verwaltung nieder.

Die kmb-Beleihung führt also zu weniger Opposition aus der Verwaltung?

Opposition ist nicht Aufgabe der Verwaltung. Die Aufgabe einer Verwaltung besteht darin, den Politikern Lösungsvorschläge zu machen und nicht erstmal ein halbes Jahr lang festzustellen, was alles nicht geht. Das ist dann Fundamentalopposition.

Prügeln Sie nicht auf einem Ressort herum, dessen Fehler im Vergleich zu denen anderer Ressorts viel kleiner sind?

Die Frage ist, woran sie die Dimensionen festmachen. Wenn Sie die Dimensionen an Beträgen festmachen, müssen Sie das ins Verhältnis zu den Gesamtfinanzen des Ressorts setzen. Die Zahl der Problemfälle ist im Kulturbereich überproportional groß. In der Kulturverwaltung hatte man in den letzten Jahren nicht den Eindruck, dass Probleme vom Grunde her gelöst worden sind. Gerade im Kulturbereich mit seinen vielen Zuschussempfängern gibt es drei Möglichkeiten: Entweder man kann – aus welchen Gründen auch immer – ein Angebot nicht mehr machen. Die zweite Möglichkeit: Es wird in den Einrichtungen nicht effektiv gearbeitet, und das muss verbessert werden. Die dritte Möglichkeit lautet, dass man feststellt, die machen gute Arbeit, bekommen aber zu wenig Geld. Aus der Verwaltung habe ich in den letzten Jahren solche mit Zahlen unterlegten Vorschläge nie gesehen.

Die Fälle der letzten Monate – Waldau-Theater, KITO und Trompetenakademie – sind alles Fälle, an denen das Wirtschaftsressort beteiligt war. Wälzen Sie da die Schuld nicht auf das Kulturressort ab?

Es wäre unfair, nur weil das Wirtschaftsressort im Kulturbereich kofinanziert, die dort entstandenen Probleme dem Wirtschaftsressort anzulasten. Da muss sich die Kulturverwaltung inhaltlich verantwortlich fühlen. Insgesamt müssen die Parlamentarier auch mal entscheiden, was sie wollen: Wollen sie Zuschüsse für Gesamtbereiche genehmigen oder wollen sie an allen Einzelheiten beteiligt sein. Dann steckt in den Zahlen immer ein Risiko. Dieses Risiko werden wir auch im Kulturbereich nie ausschließen können – auch nicht die kmb.

Welche Spuren wollen Sie bis zur nächsten Bürgerschaftswahl 2003 im Kulturbereich hinterlassen?

Wir haben uns vorgenommen, im Kulturbereich so weit Ordnung zu schaffen, dass es eine Finanzklarheit gibt. Ich sage auch: Wir brauchen Freiräume für neue Sachen. Wir haben unter großem Zeitaufwand die Wettmittelvorlage umgearbeitet, um dem Verein „quartier“ oder dem Künstlerhaus am Deich zu zeigen, dass sie gute Arbeit machen. Es gibt nichts Frustrierenderes als keine Leistungsanreize zu haben. Gerade wir Parlamentarier haben ja bei der Kammerphilharmonie oder der Shakespeare Company die Zuschüsse erhöht. Man kann sagen, das ist wenig – und aus Sicht der Kulturtreibenden verstehe ich das auch – aber politisch ist es ein enormes Signal. Die Folge ist aber, dass die mittelfristige Finanzplanung im Kulturbereich überarbeitet werden muss. Es wird kein Riesensprung nach oben kommen, aber ich halte eine Sicherung des Status quo für ein realistisches Ziel. Um Freiräume zu schaffen, muss man Strukturen ändern. Dazu zählen die Tarifstrukturen im Theater, wo man mit der Geschäftsführung gucken muss, ob wir da etwas Neues schaffen können. Insgesamt gibt es eine große Zufriedenheit mit dem Theater und der Arbeit des Intendanten. Es geht also nicht um Eingriffe im künstlerischen Bereich. Wir müssen aber Projekte auf den Prüfstand stellen. Von einigen müssen wir uns trennen.

Zum Beispiel?

Es gibt Projekte wie die Trompetenakademie, bei denen man auch mal Schlussstriche ziehen muss.

Sie sprechen von neuen Initiativen, und zugleich muss Ihr Senator erklären, wie er das nächste Millionenloch wegdrückt.

Wir haben mit dem Nachschlag von 9,5 Millionen Mark einen wichtigen Schritt gemacht. Sie werden sehen, dass man die Minderausgaben ohne Rieseneinschnitte darstellen kann.

Die Kulturszene hat Ihnen vom Waldau-Theater bis zur Trompetenakademie doch ideale Vorlagen gegeben, Geld einzusparen. Ihr Senator hat sie nicht genutzt.

Zur Trompetenakademie habe ich mich deutlich geäußert. Beim Waldau-Theater gab es Missmanagement in erheblichem Umfang. Das Problem war, dass sich die Betroffenen immer erst um fünf nach zwölf gemeldet und auf die Notlagen hingewiesen haben. Aber wenn ich gucke, wie viele Leute das Waldau-Theater bei seinem Zuschussbedarf erreicht, halte ich das noch für angemessen. Ich muss einer Institution auch eine zweite Chance geben. Es darf dann aber keine dritte, vierte, fünfte, sechste geben.

Gilt das auch für „Jekyll & Hyde“?

Ja. Was man von der Kulturszene erwarten kann, muss man erst Recht von Wirtschaftsbetrieben erwarten. Bei „Jekyll & Hyde“ gab es erhebliche Fehler in der Aufbauphase. Diese Fehler hätten, wenn sie eher zur Sprache gekommen wären, nicht solche Auswirkungen gehabt, weil man dann nicht das Marketing aufgrund von Liquiditätsproblemen eingestellt hätte. Dann hätten wir von April bis Juni andere Auslastungszahlen gehabt. Das stimmt mich an der Diskussion ärgerlich.

Wenn Bremen über welche Wege auch immer voll im Risiko ist, warum gab es dann kein rechtzeitiges Controlling?

Wir waren aufgrund des Objektes vielleicht im Risiko, wir haben bei den Grundsatzentscheidungen 1996 und 97 bewusst darauf verzichtet, in ein Betreiberrisiko zu gehen. Deshalb hat die HVG die Verträge entsprechend abgeschlossen. Jetzt, vier Jahre später, ist da etwas schief gelaufen. Das kann man aber nicht der HVG anlasten, denn dann hätte man vorher sagen müssen, wir beteiligen uns zu zehn oder fünfzehn Prozent an der Produktionsgesellschaft. Die Politik hat also den Fehler gemacht. Und jetzt müssen wir umdenken. Wenn man Sonderimmobilien hat, die man später nicht einfach in Büroräume verwandeln kann, muss man darüber nachdenken, doch ins Betreiberrisiko zu gehen.

War niemandem klar, was jetzt die Unternehmensberatung PwC festgestellt hat: Das Risiko liegt allein bei Bremen?

Ob es niemandem klar war, weiß ich nicht. Aber die Grundsatzentscheidungen sind in eine andere Richtung gefällt worden. Aus diesen Fehlern muss man jetzt lernen. Und wenn wir jetzt über den Ocean Park debattieren, müssen wir dafür sorgen, dass wir jederzeit über die aktuellen Entwicklungen informiert sind. Fragen: ck, zott

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen