: Weg mit dem Lohndrücker-Image
Gestern war großer Randstad-Tag: Das Zeitarbeitsunternehmen wollte 20.000 Jobs vergeben. Jeder Dritte bekommt nach dem Zeitjob eine Festanstellung. Gewerkschaften schließen Tarifverträge ab. Die Löhne liegen 15 Prozent unter den Branchentarifen
von ANNETTE ROGALLA
Gerhard Schöder tut es und Marlene Meier auch. Beide sind Zeitarbeiter. Schröder als Bundeskanzler, Meier jobbt als Datentypistin bei einer Verleihfirma. Bei einer Monatsarbeitszeit von branchenüblichen 151,68 Arbeitsstunden kommt Meier bei der Zeitarbeitsfirma Randstad auf einen tariflich gesicherten Grundlohn von 12,93 Mark in der Stunde. Die Bundesrepublik zahlt ihrem Kanzler umgerechnet 210,24 Mark die Stunde.
Marktführer Randstad wartete gestern bundesweit mit einem „Job-Tag“ auf. Bis zum Abend, so das Versprechen, sollten 20.000 offene Stellen besetzt sein. Für die Aktion „Job-Tag“ ließ sich die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) als Schirmherrin begeistern.
Denn die Branche boomt. Rund 300.000 Menschen jobben bei Zeitarbeitsfirmen. In fünf Jahren sollen es schon eine Million sein. Zeitarbeiter machen heute ein Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse aus. In den USA, den Niederlanden und in Dänemark liegt der Anteil drei- bis siebenmal höher.
Aber Deutschland holt auf. In 30 Jahren könnten bereits 30 bis 40 Prozent aller Arbeitnehmer in der Zeitarbeitsbranche arbeiten, schätzt Holger Grathe von der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG).
Dank der Gewerkschaften ÖTV und DAG verliert die Branche ihr schlechtes Image vom modernen Sklavenhändler. Von Ausbeuter-Löhnen könne nicht mehr die Rede sein, beteuert Grathe. Denn im Frühjahr handelte der Tarifexperte mit Randstad einen Tarifvertrag aus.
Zwar liegen die Entgelte für Sekretärinnen, Ingenieure oder Medienarbeiter auch laut Tarif immer noch zehn bis 15 Prozent unterhalb der jeweiligen Branchentarife. „Aber immerhin haben wir Gewerkschaften gezeigt, das wir in der Lage sind, mit Zukunftsbranchen eine Regelung zu finden“, verteidigt sich der DAG-Mann.
Vorbei sind die Zeiten, in denen Gewerkschafter Verleihern vorwarfen, mit ihrem Service keine „wirklichen Arbeitsplätze“ zu schaffen, sondern Stammbelegschaften zu zerstören, indirekt Jobs abzubauen und unter Tarif zu entlohnen. Zeitarbeiter zu sein bedeutet nicht, ewig zwischen den Jobs zu wandern. Nach Angaben des Bundesverbandes Zeitarbeit findet gut ein Drittel eine Festanstellung in einem Unternehmen, bei weiblichen Bürokräften soll es sogar jede Zweite sein.
Wenn eine Firma einen Kollegen aber länger entleihen will, gehe das nicht, klagt Roland Wolf, zuständiger Arbeitsrechtler bei der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz schreibt vor, dass ein Mitarbeiter nicht länger als zwölf Monate entliehen werden darf. Die BDA fordert eine Ausleihfrist von 36 Monaten, angelehnt an die maximale Dauer des Erziehungsurlaubs.
Die Grünen zeigen Verständnis für die Begehrlichkeit der Arbeitnehmer. Ihre Sozialexpertinnen Dückert und Wolf sind der Ansicht, gerade Kleinfirmen bräuchten Zeit, um hoch qualifizierte Mitarbeiter einzuarbeiten, und würden Projekte längerfristig betreuen. Sie sehen in der Zeitarbeit ein Mittel, um die Arbeitslosigkeit zu verringern.
Mehr als 50 Prozent aller Bewerber, die bei Randstad unterkommen, waren vorher arbeitslos. Zeitarbeit ist auch eine Chance für Außenseiter, die vom Arbeitsamt schlecht vermittelt werden können. „Unsere Kunden fragen nicht nach Alter, Geschlecht oder Aussehen, sie verlangen Qualifikation“, sagt Randstad-Geschäftsführerin Christine Bruchmann.
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