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„Es wird natürlich Gekreisch geben“

Ein Gleichstellungsgesetz wird die Wirtschaft nicht erfreuen, sagt Heide Pfarr, SPD. Die ehemalige hessische Frauenministerin ist heute Direktorin des Wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung

taz: Nun sollen also Gewerkschaften und Betriebsräte Gleichstellungspläne und mehr aushandeln. Beide sind bisher nicht gerade durch eine Vorliebe für Frauenförderung aufgefallen. Woher aber soll nun der Elan kommen?

Heide Pfarr: In Flächentarifverträgen kann man natürlich nur sehr grobe gleichstellungspolitische Vereinbarungen treffen. Rein praktisch wird es sehr viel mehr um die Betriebsräte gehen. Die sind natürlich noch nicht flächendeckend durch wilde gleichstellungspolitische Maßnahmen aufgefallen. Aber Gleichstellungspolitik gegen einen Betriebsrat geht nicht. Das sieht man im öffentlichen Dienst: Da gibt es nur Millimetergewinne, für die die Frauenbeauftragten mit ihrer Lebensqualität sehr hohe Preise zahlen. Eine Chance sehe ich, wenn die Betriebsräte quotiert sind entsprechend dem Frauenanteil im Unternehmen und in einem Mitbestimmungsrecht. Das liegt in der Verantwortung des Arbeitsministeriums.

Was machen denn die vielen Betriebe ohne Betriebsrat?

Es wird dafür ja die gesetzlichen Regelungen geben. Aber wir haben keine Kontrollinstanz. Wir werden da große weiße Flecken haben. Deshalb halte ich es auch für unverzichtbar, dass es eine Einwirkungsmöglichkeit von außen gibt. Es muss Verbandsklagen geben können, nicht nur für Gewerkschaften, sondern auch für Frauenverbände.

Das steht aber nicht in Bergmanns Gesetzesvorhaben.

Das ist eine Lücke, die ganz eindeutig und zwingend ausgefüllt werden muss, sonst ist das ganze Gesetz ein Papiertiger. Wenn da nichts passiert, dann kann man sich den ganzen Prozess sparen.

Eine Auditstelle soll die Einhaltung des Gesetzes überwachen. Kann sie drei Millionen Unternehmen überprüfen?

Die Auditstelle brauchen wir, wenn wir die Frauenförderung an die öffentlichen Aufträge koppeln, da ist es einfacher, wenn die Firma mit so einem Siegel anspaziert kommt. Aber das reicht nicht aus: Es muss andere Möglichkeiten des Einwirkens geben.

Wie schätzen Sie die Chancen für ein Verbandsklagerecht ein?

Es gibt keine überzeugenden Argumente dagegen. Es ist klar, dass das Klagerisiko nicht auf den Schultern einer Person liegen kann. Wenn den Behindertenverbänden ein Klagerecht zugestanden werden soll, wie man hört, dann müssten die Frauen es natürlich auch bekommen. In der Wirtschaft wird es natürlich Gekreisch geben.

Gekreisch gibt es jetzt auch schon, die Unternehmer lehnen ein Gesetz kategorisch ab.

Ja, aber Frau Bergmann ist es gelungen, die Unternehmer zu spalten. Gegen die kategorischen Ablehner aus den Verbänden sind in letzter Zeit auch immer wieder Unternehmer aufgetreten, die nicht nur erklärten, wie gut Frauenförderung ihrer Firma tut, sondern die auch Gesetze forderten.

INTERVIEW: HEIDE OESTREICH

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