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Gleichstellung noch in weiter Ferne

Frauenministerin Christine Bergmann will mit ihrem Gleichstellungsgesetz den Frauenanteil in den Unternehmen erhöhen und Lohngleichheit herstellen. Doch Widerstand gibt es nicht nur aus der Wirtschaft, sondern auch von den Ministerkollegen

von HEIDE OESTREICH

Gesetze im Dialog mit den betroffenen Gruppen zu machen, ist schwer in Mode in der Regierung Schröder. Wenn allerdings der Klassenkämpfer mit der einen oder anderen betroffenen Gruppe durchgeht, wird es anstrengend.

Ihr Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft sollte Frauenministerin Christine Bergmann in „Dialogforen“ vorbereiten, mit Gewerkschaften, Frauenverbänden und Unternehmern. Letztere hatten den fast ein Jahr währenden Dialog dadurch bereichert, dass sie ein Gesetz rundherum ablehnen.

Wie anstrengend der Dialog streckenweise gewesen sein muss, merkte man nicht nur den leicht entnervt wirkenden Beteiligten an, als Bergmann gestern ihre Eckpunkte für ein solches Gesetz vorstellte. Auch die Vorschläge selbst haben nur teilweise davon profitiert.

Bergmann will ein zweistufiges Verfahren: Zunächst sollen Gewerkschaften und Betriebsräte mit den Unternehmen über Gleichstellungsmaßnahmen verhandeln. Dabei muss etwa definiert werden, wie man den Frauenanteil in den Unternehmen erhöhen will, wie man Lohngleichheit herstellen oder Schutz vor sexueller Belästigung gewähren will.

Dazu kommt ein Katalog freiwilliger Maßnahmen, aus dem einige ausgewählt werden müssen. Enthalten sind darin Mentoring-Programme, Betriebskindergärten oder Fortbildungen für Frauen.

Wenn nach einer Frist von zwei bis drei Jahren nichts passiert, greift Stufe zwei des Gesetzes: Dann werden die Maßnahmen obligatorisch, zudem soll eine Gleichstellungsbeauftragte darüber wachen.

Für Firmen, die nicht spuren, werde es Sanktionen in Form von Bußgeldern geben, betonte Bergmann. Das klingt hart, und der Vizepräsident des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels, Bernd Rückert, der mit Bergmann auf dem Podium saß, kritisierte prompt eine „Politik mit der Brechstange“.

Doch die Brechstange gleicht im Moment eher noch einem Zahnstocher. Die Durchsetzung eines solchen Gesetzes hängt von vielen Variablen ab: Zunächst ist die Frage, warum Betriebsräte und Gewerkschaften plötzlich frauenpolitische Großtaten vollbringen sollen. Und wie viele Firmen haben überhaupt noch einen Betriebsrat? Dann müssen die Maßnahmen überwacht werden. Wer stellt fest, dass nun Stufe zwei des Gesetzes greifen soll? Niemand. Denn die Ministerin sieht nur ein Zertifikat vor, für das Firmen sich bewerben können. Solche „Audits“ existieren schon: Die Zahl der Firmen, die sich darum bemühen, stagniert bei 50.

Der gleich bleibenden Unlust der Unternehmen will Bergmann auf die Sprünge helfen, indem öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden, die das Gesetz einhalten. Doch vor einer Änderung des Vergaberechts steht bis jetzt noch Wirtschaftsminister Werner Müller. Der im Übrigen ein Gleichstellungsgesetz ebenso wie die Unternehmer für völlig unnötig hält.

Eine weitere Chance für das Gesetz gäbe es, wenn nicht nur einzelne Personen auf seiner Grundlage klagen könnten, sondern Verbände. Doch ob ein Verbandsklagerecht kommt, ist ebenso ungewiss.

All diese Zusatzvoraussetzungen sind von widerstrebenden Ressorts abhängig. Die werden nun auch zu den Eckpunkten selbst Stellung nehmen. Erst dann wird sich erweisen, ob diese Bundesregierung geschluckt hat, wozu sie eigentlich per Grundgesetz und Amsterdamer Vertrag verpflichtet ist: auf die Gleichstellung von Mann und Frau aktiv hinzuwirken.

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