piwik no script img

Geiselgeschäft bringt Geldregen

Philippinische Gangster überfallen erneut eine Urlaubsinsel vor Borneo.Auf Jolo ist der Abu-Sayyaf-Chef inzwischen der finanzkräftigste Arbeitgeber

aus Bangkok JUTTA LIETSCH

Der Alptraum wiederholt sich: Schwer bewaffnete Gangster haben am Sonntagabend erneut eine malaysische Urlaubsinsel vor Borneo überfallen. Drei Malaysier werden seitdem vermisst. Sie wurden offenbar auf Schnellbooten in Richtung Philippinen verschleppt. Die drei Entführten sind der Manager der Ferienanlage „Pasir Dive Resort“ auf der Insel Pandanan, ein Tauchlehrer und ein Geschäftsmann. Mehrere Angestellte entkamen, als sie in den Dschungel rannten.

Nur eine halbe Bootsstunde von Pandanan entfernt, auf der Taucherinsel Sipadan, hatte sich am Ostersonntag ganz etwas Ähnliches ereignet: Damals waren die deutsche Familie Wallert und 18 weitere Touristen und Angestellte auf die südphilippinische Insel Jolo entführt worden. Bis auf einen philippinischen Tauchlehrer kam diese Gruppe seitdem peu à peu frei – zuletzt am Samstag Marc Wallert, zwei Finnen und ein Franzose. Für alle vier hatte Libyen Lösegeld gezahlt. Deshalb mussten sie gestern nach Tripolis fliegen, um dort offiziell vom libyschen Unterhändler Rajab Azzarouq an die Diplomaten ihrer Heimatländer übergeben zu werden.

Mit dem neuen Überfall bestätigen sich die Befürchtungen vor einer neuen Entführungswelle. Denn seitdem die Abu-Sayyaf-Truppe, die mit ihren Entführungen angeblich den Kampf für einen islamischen Staat finanziert, erstmals ausländische Touristen in ihre Gewalt bekam, sind mehrere Millionen Dollar Lösegelder geflossen. Das ist für diese Region, traditionell das Armenhaus der Philippinen, ein beispielloser Geldregen.

Pro Kopf soll für die westlichen Geiseln mindestens eine Million Dollar gezahlt worden sein. Lokale Geldwechsler, heißt es in Jolo, geraten unter Druck, weil sie nicht so viele Pesos für die Dollars auftreiben können. Waffen- und Goldhändler machen auf der Insel gute Geschäfte. Die lokale Rundfunkgesellschaft ABS-CBN berichtet von einem bösen Verdacht: Auch Regierungssoldaten sollen Kriegsgerät an die Abu Sayyaf verkauft haben. Weil sie ihre Beute weder auf die Bank bringen noch mit sich herumtragen können, seien die Gangster überdies gezwungen, Teile des Geldes heimlich irgendwo zu vergraben.

Für die vielen arbeitslosen Jugendlichen in der Region ist Abu-Sayyaf-Anführer Ghalib Andang, der sich „Kommandant Robot“ nennt, zum finanzkräftigsten Arbeitgeber von Jolo geworden. Nun haben sich Robot und seine Kollegen über die Verteilung des Lösegelds gestritten und – zuletzt am Samstag – gegenseitig beschossen.

Längst drängen auch gierige Nachahmer ins Entführungsgeschäft und halten nach neuen viel versprechenden Opfern Ausschau. Ob und wann es gelingt, zwei französische TV-Leute und einen US-Bürger, die von unterschiedlichen Abu-Sayyaf-Fraktionen festgehalten werden, freizubekommen, wagt niemand zu sagen. Zudem droht das Militär nun immer lauter mit einer Offensive. Aus Angst davor haben bereits Hunderte Menschen ihre Dörfer in Jolo verlassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen