: „Der kriecht ja fast noch unters Leichentuch“
Obwohl er als notorischer Behinderer der Polizeiarbeit bekannt ist, wurde das Verfahren gegen einen Fotografen der „B.Z.“ gestern eingestellt
„Fühlen, was geschieht“, verspricht die größte Berliner Boulevardzeitung B.Z. in ihrer Werbekampagne. Fühlen, wie das Blut auf dem Asphalt klebt. Fühlen, wie der Strick den Hals des Selbstmörders zuzieht. Fühlen, dass die Leiche noch warm ist.
Der freie Fotograf B. ist einer, der den B.Z.-Lesern solche Gefühle liefert. Sobald über Polizeifunk ein grausamer Vorfall gemeldet wird, ist B. mit seiner Kamera zur Stelle. Mit Vorliebe nachts. So mancher Polizist und Feuerwehrmann hat sich dem Pressevertreter schon in den Weg gestellt. Aber ein hartgesottener Kerl wie B. lässt sich nicht bremsen.
Vier Polizeibeamte, die es dennoch versucht hatten, verließen gestern mit bitterer Miene den Gerichtssaal. Sie hatten B. wegen Widerstandes angezeigt, weil er im Dezember 1997 mit seiner skrupellosen Knipserei an zwei Unfallorten die Rettungsarbeiten behindert habe: bei einem Verkehrsunfall mit einem schwer Verletzten und einem Toten, die in einem im Graben liegenden Auto eingeklemmt waren. Und bei den Erste-Hilfe-Maßnahmen für einen Mann, der sich bei einem Suizidversuch fast den gesamten Körper zerschnitten hatte.
Nachdem die Verhandlung mehrfach verschoben worden war, stellte die Richterin den Prozess gegen B. gestern gegen 2.500 Mark Geldbuße ein – ohne die Zeugen zu hören. Eine von B.s Verteidiger an die Adresse der Polizisten gerichtete Entschuldigung hatte der Vorsitzenden für die Entscheidung genügt: „Wir können es nicht jedem recht machen“, sagte sie zur Begründung.
Die Polizisten waren fassungslos. Den Fall als Einzelfall abzutun „ist nicht in Ordnung“, protestierten sie gegenüber der Richterin. Draußen vor der Saaltür feierten der Fotograf und sein Anwalt die Entscheidung als „Erfolg für die Pressefreiheit“. Die Polizisten wussten anderes zu berichten: B. sei bei der Polizei seit Jahr und Tag bekannt dafür, dass er die Rettungsarbeiten behindere. B. sei der „Schandfleck“ der Pressezunft, einen „Skrupelloseren als ihn“ gebe es nicht, waren sich die Beamten einig. „Für ein Foto kriecht der fast unters Leichentuch“. Dem Mann das Handwerk zu legen sei aber nahezu unmöglich, weil B. ganz genau wisse, wie er die Beamten am Rettungsort einschüchtern könne: „Wissen Sie was Pressefreiheit ist“ pflege B. sich zu empören und mit Strafanzeigen und dienstrechtlichen Konsequenzen zu drohen. Zu seinem Repertoire gehöre auch, mit einer Veröffentlichung auf der ersten Seite der B.Z. zu drohen und auf seine guten Kontakte zu „Hagen“ und der übrigen Polizeispitze zu verweisen. Eberhardt Schulz, ehemaliger langjähriger Leiter der Polizeipressestelle, bestätigt die Angaben. Gegen einen Mann wie B., der im Konfliktfall alle Register ziehe, sei die Polizei „aber leider so gut wie machtlos“.
PLUTONIA PLARRE
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