: CDU-Treckerfahren gegen teuren Sprit
■ Hunderte Brummifahrer verballern tausende Liter Sprit bei einer Trucker-Demo gegen die „teure“ Ökosteuer / CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff fährt im Trecker mit
Etwa 250 Lastwagenfahrer haben gestern die Bremer Innenstadt lahm gelegt. Von 9 Uhr an legte sich ein tausende Tonnen schwerer Ring um die City und behinderte den restlichen Verkehr, der sich kilometerweit staute. Die BSAG meldete Verspätungen von 30 Minuten.
Die Brummifahrer protestierten damit gegen die Ökosteuer der Bundesregierung. Forderungen nach dem Rücktritt von Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt (SPD) wurden laut. Zugleich ließ die Protestfahrt allerdings auch erstaunliche Erkenntnisse zu.
Der wichtigste Punkt lautet: Der CDU-Fraktionschef Jens Eckhoff kann Trecker fahren. Er bediente mit leichtem Ruckeln den „John Deere“ seines landwirtenden Parteikollegen Frank Imhoff und reihte sich so in die Reihen der Demonstranten ein. Neben ihm prangte dabei der große Aufkleber der CDU-Kampagne, in der in dem Wort Öko-Steuer das Ö gestrichen wird. Eine Anti-Ökosteuer-Kampagne, die gestern von CDU-Landeschef Bernd Neumann „offiziell in Bremen eröffnet“ wurde. Dabei tutete auch Wirtschaftssenator Josef Hattig mit ins Horn. Das Mitglied der Partei, die zu Regierungszeiten den Spritpreis um mehr als 30 Pfennig angehoben hatte, sieht jetzt die „Schmerzgrenze“ erreicht.
Der zweitwichtigste Punkt der Protestaktion: Eckhoff befürwortet trotz allem eine Ökosteuer. Konfrontiert mit Aussagen seines ehemaligen Bundesparteivorsitzenden Wolfgang Schäuble und der amtierenden CDU-Chefin Angela Merkel, die sich beide bekanntlich zu Regierungszeiten für eine Ökosteuer stark gemacht hatten, antwortete Eckhoff in einem Blitzinterview auf seinem „John Deere“ gegenüber der taz bremen: „Die Ökosteuer ist grundsätzlich zu begrüßen.“ Sie müsse nur EU-weit harmonisiert werden. Und: „Ich bin der Auffassung, dass die weitere Anhebung dieser Steuer zum jetzigen Zeitpunkt unverantwortlich ist. Eine Bundesregierung muss in der Lage sein, ihre Beschlüsse in Extrem-Situationen auch mal auszusetzen.“ Zu dem Widerspruch zwischen seinen Aussagen zur Ökosteuer und der bundesweiten Kampagne der CDU-Spitze sagte Eckhoff lediglich: „So funktioniert Politik. Man stellt erst mal Maximalforderungen, um dann Verhandlungsspielraum zu haben.“
Eine weitere aussagekräftige Erkenntnis der Truckerdemo lautet: „Natürlich müssen wir auch vor unserer eigenen Haustür kehren.“ So reagierte der geschäftsführende Vorständler des „Landesverbandes Verkehrsgewerbe Bremen“, Wilfried Drygala, als Demo-Veranstalter auf die Frage, ob die Existenzprobleme der vielen Lkw-Kleinunternehmer nicht eher durch den Preiskrieg der Groß-Spediteure verursacht würde, als durch die Ökosteuer. Ansonsten sieht der oberste Bremer Trucker die Schuldigen auf der Berliner Regierungsbank. Nach seinen Angaben werden deutsche Brummifahrer gegenüber ihren EU-Kollegen benachteiligt: „Wie sollen wir im Preiskampf noch mithalten, wenn wir antreten müssen gegen moldawische Fahrer auf deutschen Lkw, die in Frankreich gemeldet sind?“ Vor diesem Hintergrund müsste die Bundesregierung deutsche Spediteure entlasten. Konfrontiert mit Fakten, dass Deutschland etwa beim Diesel-Preis an sechster Stelle in der EU rangiere, antwortete Drygala: „Das wird uns nicht davon abhalten, gegen die wettbewerbsverzerrende Ökosteuer zu demonstrieren.“
Ein weiteres Fazit im Streit um die ÖkoSteuer lautet: Bremens Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) kann offensichtlich nicht rechnen. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die SPD-Fraktion, nachdem sich der Senator vehement gegen die Öko-Steuer ausgesprochen hatte. Nach einer Anfrage der Genossen an den Senat kommt Perschaus eigene Verwaltung zu dem Schluss, dass das Land Bremen allein bis zum Jahr 2003 mehr als 14 Millionen Mark Mehreinnahmen durch die ökologische Steuerreform zu verzeichnen hat. Dazu SPD-Fraktionssprecher Werner Alfke: „Der Senator sollte sich mehr der Sachpolitik als dem Populismus widmen.“
Perschau weist diese Vorwürfe von sich. Seiner Meinung nach sinkt durch die Ökosteuer die internationale Wettbewerbsfähigkeit, wodurch indirekt auch steuerliche Einnahmen des Landes Bremen sinken. Zudem spricht Perschau der rot-grünen Ökosteuer die Daseinsberechtigung ab, weil sie lediglich eine „Quersubventionierung“ für die Rentenkasse sei. Grundsätzlich müssten sich natürlich alle Parteien Gedanken über den Umgang mit den knappen Ressourcen machen. Genau das hätten auch Schäuble und Merkel getan.
Und was sagen die Lastwagenfahrer selbst? Sebastian Kühlmann, Landstraßenkapitän seit 30 Jahren und in eigener Sache unterwegs: „Mir steht das Wasser bis zum Hals. Die Ökosteuer bringt das Fass zum Überlaufen.“ Auf die Frage, ob die Bundesregierung nicht vielleicht das falsche Opfer einer Demonstration sei, angesichts von einem verschwindend geringen Anteil der Ökosteuer am Gesamtspritpreis, wollte er sich nicht äußern. Auf die Frage, warum die Truckerkollegen in anderen europäischen Staaten streiken würden, wenn es denen doch viel besser gehe als den deutschen Fahrern, wollte Kühlmann nicht antworten.
Bleibt festzuhalten: Die Demonstration endete pünktlich um 12.30 Uhr zur Mittagspause. Und: Weil Trucker ihre Kampfgefährte nicht tieferlegen können, frisieren sie ihre Hupen.
Jens Tittmann
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