: „Spürbar, sichtbar, schmeckbar“
Die Berliner Luft ist in den gut zehn Jahren seit dem Mauerfall besser geworden. Bis 2010 muss der Kohlendioxid-Ausstoß pro Person um weitere 10 Prozent gesenkt werden. „Energiesparpartnerschaften“ sollen dieses Ziel zum Nulltarif erreichen
von VOLKER ENGELS
Schwelgen in Erinnerungen: Kaum hatte man die Berliner Westbezirke verlassen, erinnerte einen die eigene Nase daran, wo man sich befand: in Ostberlin. Unzählige Kohleöfen pumpten unablässig gelbliche Rauchfahnen in die Atemluft. 2-Takt-Motoren in Plaste-Autos verbrannten ihr Öl-Benzin-Gemisch und ließen selbst robuste Lungenflügel kollabieren. Die Trabis sind weitgehend aus dem Straßenbild verschwunden, nur vereinzelt ist das früher so vertraute Knattern noch zu hören. Die Luft, so scheint es, ist besser geworden. Und das liegt nicht allein am Verschwinden der Zweitakter.
„Es ist spürbar, sichtbar und schmeckbar, dass in den letzten zehn Jahren unheimlich viel passiert ist“, meint Dagmar Buchholz von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Vor allem die Umstellung von Heizungen in Wohn- und Industrieanlagen habe dazu geführt, dass sich die Luftqualität merklich verbessert habe. Ohne diese Maßnahmen „hätten wir heute einen anderen Geschmack im Mund“.
Mit umfangreicher finanzieller Unterstützung des Landes und des Bundes wurden in den vergangenen zehn Jahren Programme zur Heizungsmodernisierung und Wärmedämmung bezuschusst. Kohleöfen sterben langsam aus. Rund zwei Drittel aller Berliner Plattenbauten sind in den Genuss einer Grundsanierung gekommen. Zwischen 1990 und 1996 wurden insgesamt 600.000 Wohnungen durch Heizungsumstellung und Wärmedämmung „energetisch“ optimiert. Neue Heizkraftwerke wie das Dampfturbinenkraftwerk im Bezirk Mitte leisten ihren Beitrag, der viel gepriesenen Berliner Luft wieder ihre legendäre Frische zu geben. Projekte wie die „Energiepartnerschaft Berlin“, in denen die Energiebewirtschaftung von öffentlichen Gebäuden auf externe Energieberater übertragen wird, entlasten die Umwelt und füllen das Stadtsäckel. Die Kosten für diese Energieberatung werden durch die Energieeinsparungen gedeckt. Das Ziel: Bis zum Jahr 2002 sollen rund ein Drittel aller öffentlichen Gebäude an „Energiesparpartnerschaften“ beteiligt sein. „Die Förderung von erneuerbaren Energien in Verbindung mit Programmen zur Energieeinsparung bildet in Berlin den Eckstein unserer nachhaltigen Energiepolitik“, erklärt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Damit solle die Energiebilanz der Hauptstadt weiter verbessert werden.
Das ist auch dringend nötig: Bis zum Jahr 2010 muss der Kohlendioxid-Ausstoß pro Einwohner um 25 Prozent gesenkt werden. Bis 1997 hat Berlin mit einer 15-prozentigen Reduzierung mehr als die Hälfte erreicht. Doch die restlichen 10 Prozent, heißt es, „werden mit Sicherheit eine größere Anstrengung erfordern“. Vielleicht helfen da die finanziellen Anreize, die die rot-grüne Bundesregierung mit ihrem „Erneuerbare-Energien-Gesetz“ geschaffen hat: Seit April gibt es für die Kilowattstunde Solarstrom 99 Pfennig. Dass sich die Wärmedämmung von Wohnungen auch für die Mieter lohnen kann, rechnet Erika Kröber von der Wohnungsbaugesellschaft Marzahn vor: „Von unseren 32.000 Plattenbauwohnungen sind bis heute mehr als 20.000 saniert. Wir schätzen, dass die Mieter dadurch bis zu fünfzig Prozent an Heizkosten sparen.“
Die Entwicklung der letzten Jahre ist auch nach Einschätzung von Hartwig Berger in einigen Bereichen „durchaus positiv“ zu beurteilen. Die unmittelbare Luftbelastung, meint der umweltpolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, sei in der Tat deutlich zurückgegangen. Trotzdem äußert er deutliche Kritik an der Politik der großen Koalition: „Die Weichen beim Klimaschutz wurden grundsätzlich falsch gestellt, weil versäumt wurde, ältere Kraftwerke grundsätzlich durch Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung zu ersetzen, die auf dem neuesten Stand der Technik sind.“ Moderne und effektive Kraftwerke als gesetzlich vorgeschriebener Standard hätten aus seiner Sicht deutlich verminderte Emissionen zur Folge.
Bei Solarthermien, die mittels Sonnenenergie Brauchwasser erwärmen und dadurch Kosten und Energie sparen, sei Berlin im Bundesvergleich das „absolute Schlusslicht“. Allein bei der Photovoltaik sehe die Bilanz besser aus: „Dort sind wir verglichen mit anderen Bundesländern im unteren Mittelfeld zu finden.“ Bei der Nutzung von Biogasanlagen ist Berlin nach Bergers Einschätzung „völlig unbedarft“. Dennoch könne er der „Energiepartnerschaft“ für öffentliche Gebäude positive Aspekte abgewinnen. Nur laufe dieses Projekt „viel zu langsam“. So genannte „Energiebeauftragte“ sollten nach „Energiefressern“ in öffentlichen Gebäuden suchen. Finanzieren ließen sich die Beauftragten durch die Einsparungen bei Strom- und Heizkosten. Neben der Umwelt könnten also davon auch die Kassen der Arbeitsämter profitieren.
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