: Bedingt glotzefähig
■ Wenn der Inhalt „irgendwie versickert“: Abschluss von Lisa Politts „Frauenleistungsschau“ im Lustspielhaus
Die Abschlussgala der einwöchigen „Frauenleistungsschau“ in Alma Hoppes Lustspielhaus zeigte noch einmal zwei Varianten dessen, was unter Frauenkabarett fällt. So inspirierend die Mischung unterschiedlicher Stile auch ist, so nachdenklich stimmt sie auch.
Schirmherrin Maren Kroymann kündigt die erste Kabarettistin an und nennt als deren herausragende Eigenschaft Haltung. Etwas, das so selten geworden sei, wie irgendwo in Norditalien sitzend mittelalterliche Instrumente zu schnitzen. Dieses Kompliment geht in erster Linie an Hilde Wackerhagen. Mit dem Kritikeretikett „intelligent“ herumzulaufen ist jedoch bekanntermaßen nicht gerade das Attribut, das Tür und Tor öffnet. Schon gar nicht jenes zur „Glotzefähigkeit“, wie Kroymann es an anderer Stelle nennt.
Denn Wackerhagens Unterhaltung pocht auf kognitive Mitarbeit. Was man selber immer ahnte, jedoch nie so plastisch dachte, illus-triert die Kabarettistin wie im Vorbeigehen. Als Modell für ihre gesamte Show fungiert die Idee der Mülltrennung, beispielhaft erläutert anhand des Joghurtbechers: Während der Inhalt „irgendwie versickert“, gilt die Verpackung als Wertstoff. Schnell ist die Parallele zur Politik gezogen, bei der es unbestreitbar mehr um die hübsche Optik geht, als um den Gehalt.
Dabei wechselt Wackerhagen zwischen naiv-verklärter Begeisterung angesichts der aktuellsten Meldungen und dem trockenen Zitieren von Zeitungsartikeln (“Ich muss mir das immer vorlesen, sonst glaub ich das selber nicht“). Für das Entlarven medialer und politischer Absurditäten gibt sie dem Publikum noch einen Hinweis zur Haltung: Öfter mal nachdenken.
Die Gala endet mit dem musikalischen Beitrag von Cornelia Schirmer, deren Handicap, aus dem Osten zu stammen, nicht ihr einziges ist, wie sich Organisatorin Lisa Politt nicht verkneifen kann zu bemerken. So stürmt Schirmer im engen Schwarzen sichtbar fortgeschritten schwanger die Bühne und singt sich stilsicher mit Interpretationen ehemals beliebter DDR-Schlager in die Herzen der Zuschauer, wie es immer so nett heißt. Ob Ost-Berliner Fernsehturm, himmelblauer Trabant oder das Sandmännchen: Das Publikum lacht, aber doch immer verzeihend und wohlwollend. Man schafft sich eben so seine Distanz zu den Dingen, die inzwischen geradezu prähistorisch anmuten. Die johlenden Zugaberufe gelten denn auch klar dieser eher leicht verdaulichen Kost Schirmers. Auf jeden Fall aber ist Politts Aufruf Folge zu leisten: Schauen Sie mal wieder rein, wenn Frauen auf der Bühne stehen.
Liv Heidbüchel
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