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Peacekeeper gingen zu robust vor

Weil die US-Elitetruppe der 82. Luftlandedivision zum Kämpfen und nicht zum Schlichten ausgebildet war, kam es im Kosovo zu gewaltsamen Übergriffen auf albanische Zivilisten – das macht ein jetzt veröffentlichter Report des Pentagon deutlich

aus Washington BERND PICKERT

Für das Selbstverständnis dieser kämpfenden Elitetruppe der US-Armee muss es ungefähr so gewesen sein, als würde die deutsche GSG-9 zur Verkehrsregelung in der Fußgängerzone von Hildesheim eingesetzt: Die 82. Luftlandedivision, bekannt für gewaltsame Interventionen in der ganzen Welt, war für das Peacekeeping im Kosovo nicht ausgebildet. Zu diesem Schluss kommt ein bislang geheimer Bericht der US-Armee, der am Montag freigegeben wurde.

Anlass für die Untersuchung war der Fall des 36-jährigen Feldwebels Frank Ronghi, der im August wegen Vergewaltigung und Ermordung eines elfjährigen albanischen Mädchens von einem US-Militärgericht zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

Die Untersuchung ergab schwere Vorwürfe gegen weitere Angehörige von Ronghis „Kompanie Alpha“, die zur 82. Luftlandedivision gehört. Fünf weitere Soldaten und vier Offiziere werden beschuldigt, die Kosovo-albanische Bevölkerung massiv eingeschüchtert, Frauen bei Durchsuchungen sexuell belästigt und Zivilisten bedroht und geschlagen zu haben. „Die überaus aggressiven Verhaltensweisen der Einheit zeigten sich auch in ihrem Motto – „Schieß sie in die Fresse“ – und ihrer Praxis, Zivilisten den M-4-Karabiner mit aufgeschraubter Taschenlampe direkt ins Gesicht zu halten“, heißt es in dem Bericht. Der Leiter der Untersuchung, Oberst John W. Morgan, fordert personelle Konsequenzen. Im Verfahren gegen Ronghi zitierten seine Verteidiger immer wieder aus dem Report – wohl im Bestreben, ihren Mandanten zugunsten einer allgemeinen Fehleranalyse zu entlasten.

Der Report stellt fest, die Truppe sei insgesamt für ihren Einsatz als Teil der friedenserhaltenden KFOR-Truppen nicht ausgebildet gewesen – obwohl ihr mehrmonatiger Einsatz im Kosovo langfristig geplant war. Die Soldaten, sagt Oberst Morgan, hätten Schwierigkeiten gehabt, „ihre mentale Vorbereitung auf kriegerische Handlungen zu zügeln“ und der ständigen unterschwelligen Gewaltbereitschaft zwischen Serben und Kosovo-Albanern entgegenzutreten. Verschärft hätten sich diese Schwierigkeiten im Übrigen, so Morgan, durch die „Unfähigkeit der UNO, zügig eine zivile Polizei aufzustellen“. US-Verteidigungsminister William Cohen zeigte sich „sehr besorgt“ über die Ergebnisse des Berichts. Die Armee müsse sicherstellen, dass sich so etwas nicht wiederholen könne.

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