: Grenzenlose Fahndungen
Bundesinnenminister Schily und sein tschechischer Amtskollege unterschreiben Vertrag über polizeiliche Zusammenarbeit. Datenaustausch für IWF-Tagung
BERLIN taz ■ Künftig sollen deutsche und tschechische Polizisten und Grenzschützer gemeinsam an der Grenze auf Streife gehen.
Das sieht eine bilateraler Staatsvertrag zwischen beiden Ländern vor, der gestern in Berlin von Bundesinnenminister Otto Schily und seinem tschechischen Amtskollegen Stanislav Gross unterzeichnet wurde. Zugleich setzten beide auch ihre Unterschriften unter einen Vertrag über die gegenseitige Hilfe bei Katastrophen. Eine Hürde steht allerdings noch aus: Beide Verträge bedürfen noch der Ratifizierung durch die Parlamente. Der Vertrag über die polizeiliche Zusammenarbeit ist ein mühsam errungenes Dokument. Das Zustandekommen hatte sich, so Schily, wegen der „Formulierungskünste“ der deutschen Seite seit 1995 verzögert. Künftig sollen deutsche und tschechische Polizisten und Grenzschützer nicht nur in gemeinsamen Dienststellen arbeiten und gemeinsame Fahndungsaktionen und Streifgänge durchführen. In Notfällen ist beiden Seiten auch erlaubt, auf dem Territorium des jeweils anderen Staates angelaufene Fahndungen fortzusetzen.
Unzufrieden ist die deutsche Seite nach wie vor mit der Zahl der Illegalen, die die tschechisch-deutsche Grenze passieren. 1999 wurden 12.846 Illegale aufgegriffen, rund ein Drittel aller Flüchtlinge, die in der Bundesrepublik an den Grenzen festgenommen wurden. Tschechien will seine Außengrenze künftig dichter machen. Die Angleichung an die EU-Kriterien sei eines der „prioritären Themen“, so Gross gestern.
Thema war auch die Kinderprostitution in Tschechien. Hierbei wurden Differenzen in der Bewertung des Ausmaßes deutlich, nicht aber in dem Ziel, das Geschäft mit Minderjährigen einzudämmen. Eine bereits bestehende Arbeitsgruppe der sächsischen und tschechischen Polizei soll fortgeführt werden. Tschechiens Innenminister hielt den deutschen Medien vor, ihre Berichte über Kinderprostitution nicht immer ausreichend mit konkreten Informationen zu unterfüttern. Bei einer Razzia im Sommer seien in Tschechien rund 3.000 Anbieter von Sexdiensten kontrolliert worden – in keinem einzigen Fall habe es Hinweise auf Kinderprostitution gegeben. Laut Gross gibt es jedoch eine Dunkelziffer. So würden Kunden in vielen Fällen mit dem Angebot von Kindersex in Hinterhalte gelockt, wo sie dann ausgeraubt würden.
Eine enge Zusammenarbeit wurde für die Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am kommenden Wochenende in Prag vereinbart. Beide Seiten wollen Informationen über Gewalttäter austauschen. Der Bundesrepublik sei an einem ruhigen Verlauf gelegen, versicherte Schily. Zumal ein Teil der Veranstaltungen in der deutschen Botschaft stattfinden.
SEVERIN WEILAND
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