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Fühl die neue Kultur-Energie

Die Gasag sponsert und sponsert die Berliner Kulturszene und keiner merkt was davon: Das Feld der Zusammenarbeit zwischen Kultur und Wirtschaft in Berlin formiert sich neu. Im Moment wird noch mit Startschwierigkeiten gekämpft

von KATRIN BETTINA MÜLLER

Frau Clemens hat ein Problem. Die Marketingleiterin der Gasag ist nicht zufrieden mit den Journalisten. Die vergessen nämlich immer, die Gasag als Sponsor zu erwähnen, wenn es um die Produktionen der Neuköllner Oper geht. Selbst als sie der „Bar jeder Vernunft“ beisprangen, die für die Produktion von „Frau Luna“ dringend Sponsoren suchte, war dieser rettende Auftritt den Zeitungen keine Zeile wert. Trotz des schönen Briefes, den Frau Clemens wie einen Trostpreis vorzeigt und in dem die „Bar jeder Vernunft“ ihre Freude und Dankbarkeit ausdrückt.

Dabei steht es in jedem Sponsoringvertrag: Die Geschäftspartner werden zu so genannten Mediatoren, die ihr spezielles Segment von Öffentlichkeit nun auch dem anderen zur Verfügung stellen. In der Theorie funktioniert das wunderbar – in der Praxis des Berliner Kulturbetriebes kämpfen die Beteiligten dagegen mit Anlaufschwierigkeiten. Die Feuilletons spielen nicht mit, die glauben wohl noch, allein öffentliche Förderung garantiere Unabhängigkeit, regen sich die Kulturvermittler der Wirtschaft auf. Doch wer in Berlin jemals versucht hat, von den Öffentlichkeitsabteilungen von Sponsoren über die unterstützten Kunstprojekte Auskunft zu bekommen, kennt deren seltsame Vorsicht. Pressesprecher von Unternehmen verweisen auf Kuratoren und Beiräte wie auf Geheimnisträger. Dem Kommunikationsmittel Kunst, das in der Theorie der Kulturmanager den ganzen Menschen anspricht und aus seiner déformation professionelle befreit, wird in der Praxis nicht über den Weg getraut.

Auch für die Gasag ist das Kultursponsoring neu. „Die Gasag bringt auch als Kultur-Sponsor Energie nach Berlin“ steht auf ihren Plakaten. Privatisierung und Konkurrenz auf dem Energiemarkt verlangen vertrauensbildende Maßnahmen. Steigende Öl- und Gaspreise eignen sich da nicht als Thema, rote Zahlen in den Bilanzen auch nicht. „ Zu sensibel“ nennt Frau Clemens diese Themen. Mit dem Engagement für die Kultur dagegen zeigt man sich als verantwortungsbewusster Unternehmer, der etwas für seine Stadt tut. Zehn Prozent des Marketing-Budgets wird deshalb für Sponsoring eingesetzt. Den größten Happen davon bekommen die „Berliner Eisbären“. 1997 kam die Kultur hinzu, als die freie Kulturmanagerin Anja Follmer-Greiff ein überzeugendes Konzept vorschlug.

„Wir hatten schon länger nach einem schönen Rahmenprogramm für unsere Kundenpflege gesucht“, erinnert sich Frau Clemens. Die Jahresveranstaltungen für die Berliner Installateure, für Hauseigentümer und Wohnungsbaugesellschaften brauchten eine neue Kommunikationsebene. Jetzt kann die Gasag ihre Kunden in die „Bar jeder Vernunft“ oder zur Verleihung des Neuköllner Opernpreises bitten. „Um festliche Abendkleidung wird gebeten“, steht auf der Einladung. Für die gab es lange kaum Verwendung in Berlin.

Im März zog die Gasag in das restaurierte Shell-Haus am Reichpietschufer. Die vielen Meter leerer Wände in Büroräumen und Fluren sieht Frau Clemens nun als beste Voraussetzung für eine „Kunstsammlung“. Weil der Etat klein ist und kaum für einen großen Einkauf auf dem Kunstmarkt reichen würde, kam der Vorschlag, mit der Hochschule zu kooperieren, gerade recht. Jedes Jahr hilft die Gasag zwei Meisterschülern mit dem Gasag Kunstpreis, einer Ausstellung und einem Katalog weiter und bekommt dafür ein Werk.

Die Gasag ist nicht der einzige Energiekonzern, der Kultur als Thema für sich entdeckt hat. Die Neuorganisationen der Nachwendezeiten haben fast allen großen Unternehmen eine Überarbeitung ihrer Selbstdarstellung abverlangt: nach innen, weil die lebenslange Sicherheit eines Arbeitsplatzes als stabilisierender Faktor wegfiel, nach außen, weil der Markt der wiedervereinigten Stadt eine neue Sprache verlangte. Als die Bewag 1995 den Bau des neuen Heizkraftwerkes Mitte plante, lud sie internationale Künstler zu Beiträgen ein, die mit ihren Skulpturen zwischen dem Kraftwerk und der Stadt vermitteln. Auf Zukunft in der Kunst setzt der ostdeutsche Braunkohlekonzern Veag, der in seiner eigentlichen Produktion mit technologischen Altlasten zu kämpfen hat. Die Außenhaut der Berliner Hauptverwaltung an der Chausseestraße ist als Medienfassade aus gläsernen Projektionsschirmen gestaltet. Pünktlich zur Kunstmesse laden sie zu einem Webtalk mit einer Künstlergruppe aus Novi Sad ein.

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