: Fakten schaffen
Asylbewerber in Brandenburg wurden gegen den Willen der Nachbarn verlegt – in ein ausländerfeindliches Dorf
BERLIN taz ■ Eine schönere Werbung für seine Initiative „tolerantes Brandenburg“ hätte sich Ministerpräsident Manfred Stolpe nicht wünschen können: Die Jugendinitiative „Chill Out“ hatte im Frühjahr durchgesetzt, dass rund 112 Flüchtlinge aus Lauchhammer nicht an einen anderen Ort verlegt werden, nachdem an ihrer Unterkunft Sicherheitsmängel festgestellt wurden. Landrat Holger Bartsch (SPD) sicherte zu, für die Flüchtlinge eine andere Bleibe in der Stadt zu suchen. Endlich mal Brandenburger, die ihre Ausländer behalten wollen – was für eine Nachricht!
Das mit der Werbung kann Stolpe nun vergessen. Wie der taz erst jetzt bekannt wurde, nutzte die Kreisverwaltung Oberspreewald-Lausitz die Sommerferien, um in Lauchhammer Fakten zu schaffen: Ende August wurden die Flüchtlinge nach Sedlitz, ein 600-Seelen-Dorf bei Senftenberg verlegt. Man habe bislang keine Unterbringung in Lauchhammer gefunden, heißt es bei der Kreisverwaltung. Ein „Affront gegen die Initiative“ und „ein Fehler in der momentanen politischen Lage“, sagt Viola Weinert, PDS-Kreistagsabgeordnete, zu dem Vorgehen.
Was Weinert als Fehler bezeichnet: In einer Einwohnerfragestunde hatten sich die Bewohner von Sedlitz vehement gegen die Unterbringung der Asylbewerber ausgesprochen. Die Lausitzer Rundschau titelte: „Sedlitzer fühlen sich übergangen und protestieren.“ Die Dorfbewohner hätten Angst, „mit Menschen zusammenleben zu müssen, die geltendes Recht missachten könnten“, hieß es weiter. Viola Weinert, die bei der Einwohnerfragestunde anwesend war, sagt, dort seien ausländerfeindliche Bemerkungen gefallen: „Die Asylbewerber sind in Sedlitz nicht willkommen.“ Das sieht der Sprecher der Kreisverwaltung, Stefan Schulz, anders: „Die Asylbewerber fühlen sich in Sedlitz sehr wohl, die sind da sehr gut aufgehoben.“ UTA
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