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Nazis werfen Nebel

Polizei löst Skin-Konzert bei Lüneburg auf. 46 verletzte Beamte und 32 verhaftete Skins. Fliegende Kommode und Tränengas  ■ Von Peter Müller

Das rechte Neonazi-Rechtsrock-Netzwerk „Blood & Honour“ (B&H) ist von Innenminister Otto Schily verboten worden – die Neonazikonzerte im Norden gehen weiter. 500 PolizistInnen aus Norddeutschland haben in der Nacht zum Sonntag ein Skinhead-Konzert mit 500 Teilnehmern in Laave im Landkreis Lüneburg aufgelöst. Dabei kam es zu schweren Ausschreitungen. Die Einsatzkräfte wurden mit Flaschen, Wurfgeschossen, Nebelbomben und Tränengasgranaten beworfen. 46 PolizistInnen wurden bei dem Einsatz verletzt, 32 Skins wegen Landfriedensbruch vorläufig festgenommen.

Das Fascho-Konzert im Gasthaus „Zum Goldenen Stern“ war – wie üblich – als „Geburtstagsfeier“ angemeldet worden. (Siehe auch Seite 6). „Wir wussten, dass etwas geschieht, aber nicht wo“, so Lüneburgs Polizeisprecher Gerd-Dieter Hagels zur taz hamburg. Die Ordnungsmacht vermutete hinter den Veranstaltern das vor knapp zwei Wochen verbotene Netzwerk „Blood & Honour Division Deutschland“ (Blut und Ehre) oder deren Jugendorganisation „White Youth“.

Als sich die PolizistInnen der Gaststätte näherten, griffen die Neonazis sofort an. Zwei Beamte wurden von einer aus dem Obergeschoss geworfenen Kommode am Kopf getroffen, einem Polizisten ein Bierglas ins Gesicht geworfen. Hagels: „Die eigentliche Ursache für die Auflösung des Konzertes waren daher die großen Aggressionen.“

Mit diesem Coup hat die Neonazi-Rechtsrock-Szene bewiesen, dass ihre Behauptung, vom B&H-Verbot nicht überrascht worden zu sein, keine hohle Phrase war: Offenkundig hat nunmehr das Hammerskin-Netzwerk die Funktion des B&H–Netzwerks übernommen – mit Handy und Internet-Infosystemen an der Polizei vorbei mehrere hundert rechte Glatzen zu Konzerten zu dirigieren. So zuletzt Anfang August in Billstedt, wo die Polizei nur zuschaute.

Bereits im Herbst vorigen Jahres hatten die Sektionen der Skin-Netzwerke – „B&H-Nordmark“ und die „Hammerskins Nordmark“ – ihre jahrelangen Rivalitäten beigelegt und im „Hamburger Sturm“ Zusammenarbeit angekündigt. Die norddeutsche Sektion der international operierenden Hammerskins – die in Frankreich und Italien als „terroristische Vereinigung“ eingestuft werden – leitet der Lüneburger Neonazi Sven Grewe. Sein Bruder Michael Grewe, der einen Rechtsrock-Vertrieb unterhält, baut zurzeit bei Amholz nahe Boizenburg in einem alten Gutshaus mit dem Hamburger Neonazi Thomas „Steiner“ Wulff ein Neonazi-Schulungszentrum auf. Auch Aktivistinnen des „Braunen Kreuz“ – dem auch die Betreiberin des Neonazitreffs „Club 88“ in Neumünster, Christriane Dolscheid, angehört, haben ihr Domizil in die Region verlegt. Grund laut Verfassungsschutz: Keine Ausländer, keine Antifa.

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