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Sich selbst zerstörender Markt

betr.: „Scharfe Wendung nach links“, taz vom 20. 9. 00

Es ist sehr zu bezweifeln, dass gerade im Ordoliberalismus neue Perspektiven für die Linke liegen. Erstens muss berücksichtigt werden, dass die von Tönnies gepriesenen Werke von Eucken und Co. vor 50 Jahren entstanden sind. Eucken schrieb vor dem Hintergrund einer Staats- und Kriegswirtschaft. Woher soll die Fähigkeit des Staates zur Rahmensetzung im entwickelten und globalisierten Kapitalismus kommen? Wie soll die Wirtschaftsferne in der Praxis aussehen? Die Isolierung des guten und starken Staates scheint hier idealisiertes Wunschbild zu sein.

Zweitens gibt es sehr wenig Berührungspunkte zwischen linken und ordoliberalen Gerechtigkeitsvorstellungen. Richtig ist, dass Chancengerechtigkeit bei manchen klassisch-liberalen Theoretikern (John Stuart Mill plädierte vehement für eine hohe Erbschaftssteuer) und den genannten Ordoliberalen formuliert wird. Aber was für Linke nur die Basisbedingung darstellt, ist für die Ordoliberalen bereits das Ende der Fahnenstange.

Auf die Frage, wie unter ordoliberalen Rahmenbedingungen eine „Einebnung der sozialen Unterschiede“ erfolgen soll, blieben Eucken und Co. eine Antwort schuldig, da mehr als Leistungsgerechtigkeit gar nicht ihr Ziel war. Wichtig an Eucken und Co. bleibt ihre Erkenntnis, dass dem Markt ein selbstzerstörerisches Element innewohnt. Scharfe Antitrustpolitik allein, ganz abgesehen von ihrer Realisierbarkeit in der globalisierten Weltwirtschaft, kann allerdings keine hinreichende linke Antwort geschweige denn Perspektive darstellen. JAN NILL, Berlin

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