: Ein Treffen am Rande der Ölkrise
Schuldenerlass, Wachstum, Reformen: Die Prager Tagung hat Schwierigkeiten, mit eigenen Themen Schlagzeilen zu machen. Aber das will sie auch nicht
aus Prag MAIKE RADEMAKER
Ist es gut, oder ist es schlecht, dass die mit großer Spannung erwartete Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Prag bisher von der Diskussion um den Ölpreis und den Euro überlagert wurde? Die Frage wird selbst der deutsche IWF-Chef Horst Köhler nicht so genau beantworten können. Heute wird Köhler erst einmal den offiziellen Teil der Tagung eröffnen und seine Visionen zur Zukunft des IWF präsentieren. Aber die Reaktionen der Opec und der Protest auf der Straße könnten Köhlers Verkündungen schlucken.
Viel Neues wird nicht erwartet. Über die Reform des Fonds und der Bank wurde bei den vorbereitenden Treffen der Finanz- und Entwicklungshilfeminister nur nebenbei gesprochen. Vorab drehte sich fast alles ums Öl. Schließlich bedroht der hohe Ölpreis zwar auch das Wachstum der armen Länder, doch vor allem das der Industrieländer. Und dann ist da noch der schwache Euro. Wen interessiert da, dass Köhler sich gern einmal über die Stimmverteilung im IWF unterhalten hätte?
Wenigstens der Protest auf der Straße sollte zeigen, dass Prag kein Anti-Opec-Treffen beheimatet, sondern die Tagung zweier Institutionen ist, die das Geschick von über 150 armen Ländern maßgeblich beeinflussen. Auch hier: Fehlanzeige. Nicht mal die Tschechen haben sich bisher aufraffen können, obwohl ihre Regierung ein reger IWF- und Weltbankkunde ist. Vor der deutschen Botschaft, wo am Samstag das entscheidende Treffen der G-7-Finanzminister und damit der sieben wichtigsten Gouverneure des IWF stattfand, waren heftige Proteste und Blockaden angekündigt. Es erschien kein einziger Demonstrant, weder vorher noch nachher.
Der Finanzminister des G-7-Landes Kanada, Paul Martin, versuchte dem Schuldenerlass, dem Topthema der Entwicklungsländer, ein wenig öffentliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Der Versuch misslang. Martin hatte am Sonntag vorgeschlagen, dass den Länderkandidaten für einen Schuldenerlass jetzt schon ein Zahlungsstopp eingeräumt werden solle. Der Kanadier bekam keine Unterstützung von seinen westlichen Partnern. Im Gegenteil: Sein Vorschlag wurde als störend empfunden.
Der Schuldenerlass läuft bisher ganz nach Wunsch der Superbehörden: Bis zum Jahresende werden 20 Länder die Bedingungen für einen Erlass erfüllt haben, zumindest offiziell. Inoffiziell ist jedem klar, dass kein armes Land in der Lage ist, innerhalb eines Jahres unter Einbeziehung der Bevölkerung eine Armutsstrategie zu erarbeiten. Das sei ein Dilemma, hatte Weltbankpräsident James Wolfensohn gestern gesagt: Entweder gibt es einen schnellen Schuldenerlass und Probleme bei den Details oder viel Zeit für Details, aber einen aufgeschobenen Schuldenerlass. Den Armen werden beide Lösungen lieb sein, der Weltbank weniger: Sie steht ebenso wie der IWF unter dem Druck, ihre Existenzberechtigung durch gelungene, vermarktbare Ergebnisse zu beweisen.
Köhler mag die bisherige mangelnde Aufmerksamkeit für die Tagung ganz gelegen gekommen sein. Der ehemalige Direktor der Osteuropabank in London ist erst vier Monate im Amt und soll so rasch wie möglich aus einer Institution, die Finanzkrisen weder rechtzeitig vorhersah noch rechtzeitig in diese eingriff, die nicht mal mit den richtigen Methoden darauf reagierte und die daher das Vertrauen der Länder verloren hat, eine schnelle, flexible, präventive und effektive Behörde machen – fast schon ein Widerspruch in sich.
Es könnte der Eindruck entstehen, dass die Prager Tagung am Ende nur Business as usual gewesen sein wird, wären da nicht noch die leisen Töne. Da empfingen etwa Weltbankpräsident und IWF-Chef nicht nur einmal, sondern gleich mehrfach öffentlich NGOs, hörten stundenlang zu. Die Weltbank konstatierte in ihrer Studie „The Quality of Growth“ gar, dass Wachstum alleine nicht glücklich mache, jedenfalls nicht die Armen. Investitionen in Bildung, ein funktionierendes Rechtssystem, die Bekämpfung von Korruption seien neben dem Wachstum Grundlagen für Entwicklung, sagte Nicholas Stern, Chefökonom der Weltbank. Man könne nicht erst Wachstum, dann Umwelt oder erst Wachstum, dann Bildung anstreben, erklärte Stern.
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