: Flugzeugträger, Faxgeräte und starke Worte
Mit militärischen Drohgebärden, verbalen Attacken und Versprechungen versucht der Westen, Milošević von einem Wahlbetrug abzuhalten
BERLIN taz ■ Die deutlichste Warnung der Nato an Milošević vor einem massiven Wahlbetrug schwimmt vor der jugoslawischen Küste in der Adria: Der britische Flugzeugträger „HMS Invincible“ und die mit Hubschraubern bestückte „HMS Ocean“ sowie mindestens ein Dutzend weitere Kriegsschiffe bilden die größte Armada des Westens, die sich dort seit dem Kosovo-Krieg versammelt hat.
Doch kaum jemand erwartet, dass die Flotte, wie einst die US-amerikanischen Flugzeugträger vor der libanesischen Küste, aus großen Rohren feuern wird. Sie sollte die Botschaft an die Machthaber in Belgrad senden, eine faire Wahl zuzulassen und deren Ergebnis zu akzeptieren. Trotz der nach Auszählung etlicher Wahlbezirke optimistischen Prognosen aus dem Oppositionslager von Vojislav Kostunica, Milošević werde unterliegen, klangen die Erklärungen aus den europäischen Hauptstädten weiterhin besorgt. Die gegenwärtige OSZE-Vorsitzende, die österreichische Außenministerin Benita Ferrero-Waldner, sagte, trotz der Berichte über Fälschungen und Einschüchterungen sei der Wille der Bevölkerung für einen politischen Wandel deutlich geworden.
Der britische Außenminister Robin Cook befürchtete, dass sich Milošević weiter an die Macht klammern werde, obwohl deutlich geworden sei, dass er die Wahl verloren habe. Cook richtete den Appell an Milošević, den er einen „geschlagenen und gebrochenen“ Präsidenten nannte: „Seien Sie ehrlich gegenüber Ihrem Volk, betrügen Sie es nicht, räumen Sie den Platz und befreien Sie Serbien aus dem Gefängnis, in das Sie das Land verwandelt haben.“ Der schottische Lord Russell-Johnston, der amtierende Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, kritisierte die Wahlen als „von vornherein gefälscht“.
Für die EU beobachten Diplomaten und Mitarbeiter des außenpolitischen Koordinators Javier Solana in einem neuen, rund um die Uhr besetzten Lagezentrum die Entwicklung in Jugoslawien. Informationen kommen auch direkt von der Opposition. Es wurde geschaffen, um der EU eine schnelle und einheitliche Reaktion zu ermöglichen. Solana hob am Montag die hohe Wahlbeteiligung hervor und nannte sie ein deutliches Zeichen für den Wunsch nach einem Machtwechsel in Belgrad.
Ansonsten sind den Europäern die Hände gebunden: Milošević ist schon politisch isoliert und mit einem Prozess vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal bedroht, das Land mit Sanktionen belegt. Über deren Wirksamkeit herrscht kein Konsens, vor allem die USA und Großbritannien werfen anderen europäischen Staaten mangelnde Konsequenz vor.
Vor der Abstimmung hatten die USA und die EU versucht, die Opposition zu unterstützen: Die Europäische Union lockte die jugoslawischen Wähler mit der Aussicht, dass ein „demokratischer Wandel eine radikale Veränderung der Politik der EU gegenüber Serbien“ nach sich zöge. Eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen hätte große Auswirkungen auf die missliche ökonomische Lage vieler jugoslawischer Bürger.
Die Vereinigten Staaten stellten der Opposition mehr als 70 Millionen Dollar zur Verfügung. Mit diesem Geld wurden Computer und Faxgeräte gekauft, Parteiorganisatoren trainiert und ausgeklügelte Wählerforschung nach US-amerikanischem Vorbild durchgeführt. Studentengruppen, Gewerkschaften, selbst Rockbands für die Wahlveranstaltungen profitierten von diesem Geldsegen aus dem Westen. STEFAN SCHAAF
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