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Die große Ernüchterung

Riester stellt seinen neuen Entwurf zur Rentenreform vor: Am meisten belastet werden die heute unter 40-Jährigen

von BARBARA DRIBBUSCH und RALF GEISSLER

Jörg Tremmel hat es immer gewusst. Dass am Ende die Jungen draufzahlen werden bei der Rentenreform. „Die 30-Jährigen trifft es am härtesten“, sagt Tremmel, Vorsitzender der „Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“. Die Jüngeren zahlen viel ein in die Rentenkassen und bekommen wenig heraus. „Für eine gerechtere Verteilung hätte man schon bei den heutigen Rentnern stärker kürzen müssen“, findet Tremmel, 29 Jahre alt.

Nicht nur Tremmel ist unzufrieden: Die Arbeitgeber monieren, dass die Beitragssätze künftig immer noch zu hoch sein werden. Die IG Metall beschwert sich, dass man die Sätze ruhig hätte hoch halten können, wenn doch nur die Beamten und Selbstständigen künftig in die Rentenkassen miteingezahlt hätten.

Der gestern vorgestellte Entwurf zur Rentenreform war von Anfang ein Balanceakt. In ihm wird festgezurrt, was schon Wochen zuvor für Diskussionen gesorgt hatte: Die Renten sinken, aber langsam. Erst wer ab 2011 in Rente geht, muss stärkere Einbußen in Kauf nehmen. Denn dann wird für jeden Neurentner das Altersruhegeld neu berechnet. Schuld daran ist der so genannte Ausgleichsfaktor.

Durch den Ausgleichsfaktor sinkt die Rente nur für Neuzugänge, und zwar jährlich um 0,3 Prozent. Wer also im Jahre 2030 in den Ruhestand wechselt, bekommt lebenslang eine um 6 Prozent geringere Rente als ein Älterer, der schon im Jahre 2010 in Rente ging – auch wenn beide gleich lang und anteilig gleich viel eingezahlt haben.

„Riesters Reform geht zu Lasten der jungen Generation“, moniert die Junge Union. Der alte demographische Faktor, noch unter CDU-Minister Blüm entwickelt, hätte das Rentenniveau zwar schneller und für alle Rentner gleichmäßig gesenkt. Doch nach ihren Wahlversprechen konnte die SPD nicht reumütig zu Blüms Faktor zurückkehren. „Das wäre nicht vermittelbar gewesen“, heißt es bei der SPD.

Jede Rentenrefom konnte letztlich nur auf Kosten der Jungen gehen – andernfalls hätte man schon heute viel massiver bei den Ruheständlern kürzen müssen. Doch genau daraus ergab sich das Verteilungsproblem: Schnellere Rentenkürzungen hätten sofort eine Diskussion um Altersarmut entfacht.

Woher also das Geld nehmen, um die drohenden Finanzierungslöcher in den Rentenkassen zu stopfen? Alles so lassen, wie es ist, wäre der schwerste Fehler gewesen. Im Jahre 2030 kommen statistisch auf zwei Rentner drei Erwerbstätige. Ohne eine Reform würden die Rentenbeiträge auf 24 bis 26 Prozent steigen. Riester stand unter Handlungsdruck.

Die IG Metall mit Vorstandsmitglied Horst Schmitthenner, aber auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) boten dennoch Alternativen zur Riester’schen Kürzung: Selbständige und Beamte müssten auch in die Rentenkassen einzahlen, so ihr Konzept. Auch der junge Rentenkritiker Tremmel spricht sich dafür aus. „Die Zweiklassengesellschaft zwischen den Angestellten und einkommensstarken Beamten und Selbständigen wird nicht beseitigt, wenn beide Gruppen aus der Renteneinzahlung herausgenommmen werden.“

Doch eine Diskussion um eine neue „Zwangsrente“ für alle ist ein Horror für Sozialminister Walter Riester – nicht weil er dem Konzept nichts abgewinnen könnte. Sondern weil die Bild-Schlagzeile „Zwangsrente“ den Minister schon einmal in Misskredit gebracht hat, als er vor einem Jahr eine verpflichtende Privatvorsorge einführen wollte. In der Schweiz allerdings ist die Pflichtkasse für alle schon längst eingeführt: Hier zahlen auch Selbständige in die Rentenversicherung ein.

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