: Dumm gelaufen
Auf dem britischen Labour-Parteitag muss Premierminister Blair lernen, die Wähler wieder zu begeistern. Sein Ausweg: „Bildung, Bildung, Bildung“
DUBLIN taz ■ Es war Tony Blairs wichtigste Rede seit seinem Amtsantritt. Die britische Labour-Partei befindet sich in einem Wahlkampf, mit dem sie nicht gerechnet hat. Vor zwei Wochen lag Blair unangefochten an der Spitze der Beliebheitsskala – dann kam die Benzinkrise, Proteste gegen die hohe Ölsteuer brachten Großbritannien zum Stillstand. Nun liegt die Regierungspartei bei allen Meinungsumfragen hinter den Tories.
Die britischen Wähler haben eine einfache Wahl, sagte Blair also gestern bei seiner Grundsatzrede auf dem Labour-Parteitag im englischen Seebad Brighton: Labour sei die Partei, die in die öffentlichen Dienste investiert, die Konservativen wollten die Ausgaben um 16 Milliarden Pfund kürzen.
Blair räumte ein, dass seine Regierung einen Rückschlag einstecken musste. „Ich schulde euch eine Erklärung“, sagte Blair. „Ja, Benzin ist teuer, aber das liegt am Ölpreis auf dem Weltmarkt. Wir haben einen der niedrigsten Steuersätze aller Industrienationen.“ Was eigentlich nicht stimmt.
Insgesamt sei er stolz auf die Leistungen seiner Regierung, sagte Blair: Stabilität, eine Million neue Jobs, Mindestlohn, Teilunabhängigkeit für Schottland und Wales und eine Million Kinder, die nicht mehr in Armut leben. Für die zweite Amtsperiode, wenn sie ihm gewährt wird, versprach Blair, die Reformen zu beschleunigen. An erster Stelle des Wahlmanifests stehe „Bildung, Bildung, Bildung“. Wie beim letzten Mal.
Die Labour-Delegierten sind aber über die katastrophalen Meinungsumfragen beunruhigt. Sie sind nicht mehr bereit, alles abzusegnen, was die Parteiführung ihnen vorlegt. So stimmten sie für die Einführung eines hochmodernen Sicherheitssystems für die britische Eisenbahn, obwohl sich Transportminister John Prescott für eine Billigversion ausgesprochen hatte.
Wichtiger für die Regierung ist die heutige Abstimmung über die Renten. Die Gewerkschaften verlangen, dass die staatliche Rente wieder an die Entwicklung der Nettolöhne gekoppelt wird. Brown lehnte das am Montag erneut ab, kündigte jedoch eine deutliche Rentenerhöhung im nächsten Haushaltsplan an. Brown will die Gewerkschaftsführer in Einzelgesprächen dazu bringen, dass sie sich heute damit zufrieden geben. Labour kann aber nicht damit rechnen, dass es die Wähler auch tun.
RALF SOTSCHECK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen