: Zählen und Schießen und zählen und ...
■ Langsam anlaufende Selbstmord-Orgie mit Palaver-Einlagen der leidenschaftlichen Art: Gerd Kunath in Peter Turrinis „Endlich Schluss!“ an den Kammerspielen
Wenn's ans Sterben geht, heißt es unweigerlich Bilanz ziehen. Insbesondere dann, wenn man freiwillig aus dem Leben scheiden will. So geht es auch dem Selbstmörder in Peter Turrinis Stück Endlich Schluss!. Der 90-minütige Monolog hat heute im Logensaal der Hamburger Kammerspiele seine Premiere. Almut Fischer hat das Stück inszeniert.
Gerd Kunath spielt den älteren Mann, der gleich zu Beginn des Stücks ankündigt: „Ich zähle jetzt bis tausend und bringe mich um.“ Und tatsächlich beginnt er gleich darauf zu zählen, unterbricht sich aber immer wieder selber, um von seinem bewegten Leben im Medienzirkus zu erzählen. Turrinis Lebensmüder ist nämlich ein Starjournalist, der sich selber auf dem beschleunigten Karussel der Meinungen verloren hat.
Turrini hat Endlich Schluss! dem Regisseur und Intendanten Claus Peymann zum Abschied vom Burgtheater geschrieben. 1997 inszenierte der Beschenkte das Werk des österreichischen Schriftstellers mit Gert Voss als Journalist. Die Uraufführung gefiel dem Wiener Publikum, geriet also ausnahmsweise mal nicht zum Skandal wie so viele Stücke Turrinis zuvor. Theaterbegeisterten Hamburgern ist sicherlich noch seine provokante Kolportage Tod und Teufel in Erinnerung, die Anfang der 90er Jahre am Deutschen Schauspielhaus zu sehen war. Das Thalia Theater zeigte wenig später eine Inszenierung von Turrinis Alpenglühen.
In den letzten Jahren war auf den Bühnen der Hansestadt jedoch so gut wie kein Stück des bedeutenden Dramatikers zu sehen. Ein Grund mehr für die Hamburger Kammerspiele, mit Endlich Schluss! jetzt den Premierenreigen der neuen Spielzeit zu eröffnen. Und auch den Logensaal als Spielort soll die heutige Premiere ganz programmatisch in den Blickpunkt rücken, weil das Kammerspiele-Team, wie jetzt von dort zu hören war, „den Raum so schön findet“. Bisher fanden dort vor allem Premierenfeiern und andere Einzelveranstaltungen statt, nun gibt's am illustren Ort richtige Neuproduktionen.
Almut Fischer liefert die erste quasi noch ofenwarme Inszenierung für den Logensaal der Kammerspiele. Die junge Regisseurin, Jahrgang 1967, hat unter anderem bereits in Basel, Dresden und Halle gearbeitet. Mit Endlich Schluss! gibt sie jetzt ihr Hamburg-Debüt. Auch Schauspieler Kunath ist bisher noch nicht in den Kammerspielen aufgetreten. Den Hamburger Theatergängern ist er trotzdem kein Unbekannter, war er doch in der ersten Hälfte der 90er Jahre ständiger Gast am Thalia Theater. Zuvor gehörte er zum Ensemble um Peymann in Stuttgart, Bochum und Wien. Turrini schrieb Endlich Schluss! für Peymann, jetzt spielt es Kunath: So schließen sich Kreise. Dagmar Penzlin
Premiere: Donnerstag, 20.30 Uhr; weitere Vorstellungen: Freitag, Sonnabend, Sonntag, jeweils um 20.30 Uhr, Logensaal der Hamburger Kammerspiele
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