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„Wir dürfen nicht nur in Beton investieren“

■ Der Handelskammerpräses Bernd Hockemeyer macht sich weiter stark für Kultur. Der Arbeitskreis „Kultur – Wirtschaft“ hat jetzt kulturpolitische Leitlinien formuliert

Die bürgerliche Konfliktkultur hat neben der offenen Kritik eine eigene Waffengattung der Rhetorik hervorgebracht: die der kleinen Spitzen. Und Bernd Hockemeyer, der Präses der Bremer Handelskammer, kommt mit beiden Formen spielend leicht zurecht. Eine kleine Spitze wie „Ich muss Kultursenator Schulte auch mal loben“ versteckt der Unternehmer und ehemalige CDU-Abgeordnete in der Bremer Bürgerschaft gern in einem Nebensatz oder zwischen Gedankenstrichen und lächelt dabei.

Doch für offene Kritik braucht er schon ganze Sätze: „Kunst und Kultur spielen bei Investitionen eine ganz bedeutende Rolle“, sagte Hockemeyer gestern bei einer Pressekonferenz des Arbeitskreises „Kultur – Wirtschaft“ der Handelskammer und der Kulturinitiative Anstoß und fuhr – nicht mehr lächelnd – fort: „Die Frage der investiven Rolle von Kultur ist von vielen Abgeordneten in der Bürgerschaft und im Gesamtsenat noch nicht verstanden worden. Wir können doch nicht nur in Beton investieren.“

Hockemeyer hat ein Unbehagen, und ein Unbehagen ist der Anfang der Einmischung. „Als die Diskussion zwischen Politik und Kulturschaffenden in keine gute Richtung ging, haben wir uns – als Handelskammer – sehr schnell entschieden, uns einzumischen“, erklärt er. Der Hintergrund: Vor einem Jahr klaffte im Kulturetat noch ein Loch von über elf Millionen Mark. Die Gründung des Arbeitskreises, dem Hockemeyer vorsitzt und auch nach Ende seiner Amtszeit als Präses ab 2001 weiter vorsitzen will, seine Rede bei einer „Anstoß“-Veranstaltung und ein ausführliches Interview in der taz waren die Folge. Hockemeyers Engagement „hat große Verblüffung auf Seiten der Politik ausgelöst“, weiß der Intendant des Bremer Theaters, Klaus Pierwoß. „Die Korrektur der fatalen Beschlüsse zum Kulturhaushalt“, also die Teilrücknahme der während der Koalitionsverhandlungen von SPD und CDU ausgehandelten Zehn-Millionen-Mark-Kürzung durch den Senat, „wäre ohne das Zusammenwirken der Handelskammer und Anstoß nicht denkbar gewesen.“

Und nun? Seit einem Jahr besteht jetzt der Arbeitskreis „Kultur – Wirtschaft“. Gestern haben Hockemeyer und Pierwoß erste Ergebnisse präsentiert (der zur Männerklüngelei neigende Hausherr Handelskammer hatte die Anstoß-Mitgründerin, die Galeristin Katrin Rabus, nicht direkt eingeladen). Die vom Arbeitskreis beschlossenen „Leitlinien zur Kulturpolitik in Bremen“ lesen sich auf den ersten Blick als längst bekannte Allgemeinplätze. Da heißt es etwa, dass die Förderung von Kunst und Kultur eine Querschnittsaufgabe sei, dass sie verlässlich sein müsse, dass Kultureinrichtungen die Mittel ökonomisch zu verwenden hätten und eine gewünschte stärkere private Kunstförderung nicht als Kompensation verringerter staatlicher Mittel herhalten dürfte. Doch vor den real existierenden (Bremer) Bedingungen, in denen nur die Unsicherheit sicher ist, gewinnen einzelne Formulierungen dann doch den Charakter von Forderungen. So will der Arbeitskreis Kunst und Kultur gezielt als Markenzeichen im Standortwettbewerb entwickeln und als „wesentliche Investition“ verstanden wissen.

Hockemeyer kündigte konstruktive und kritische, bei Bedarf auch „sehr kritische“ Partnerschaft mit der Politik an. Das „Gezerre um die Zuwendungen“ müsse beendet werden. Denn die Wertschöpfung aus Kunst und Kultur – und Hockemeyer spannt hier ausdrücklich einen Bogen von der soziokulturellen Arbeit im Stadtteil bis zur internationalen Spitzenkunst – spiele eine immer größere Rolle; und dies – „über ,Jekyll & Hyde' hinaus“ – auch als Tourismusfaktor. All zu sehr muss sich der Senat trotz Hockemeyers Kritik am vorherrschenden Investitionsbegriff nicht grämen. Das Leitlinien-Papier schließt Einsparungen im Kulturetat nicht kategorisch aus, fordert aber, wenn die „Mittel zur tatsächlichen Erfüllung der Aufgaben nicht ausreichen“, eine Abkehr von schematischen Kürzungen, also dem Rasenmäherprinzip.

Bald schon sollen die Sitzungen des Arbeitskreises praktische Folgen haben. Die schon nach ersten Arbeitskreistreffen erwähnten Patenschaften insbesondere von MittelständlerInnen und Kultureinrichtungen sowie die Sponsorenbörse sollen im nächsten Jahr konkrete Form annehmen beziehungsweise ausgebaut werden. Schon jetzt haben Bremer Unternehmen auf Vermittlung der Handelskammer Kunstausstellungen in Japan oder China unterstützt. Ab 2001 wird in der Handelskammerzeitschrift ausführlicher über Kunst und Kultur berichtet, um die 28.000 Mitgliederfirmen stärker zur Kunst- und Kulturförderung zu motivieren. Auch Katrin Rabus' schon angejahrte, aber deshalb nicht schlechte Idee einer Kulturstiftung für besondere Projekte lebt jetzt in den Leitlinien als Kreativitätsfonds wieder auf. Über den Status einer Idee ist das Projekt aber noch nicht hinaus. Der Arbeitskreis will aber dran arbeiten. ck

Handelskammer-Gebrauchsanweisung für Kulturschaffende: Die Kammer will, kann und darf nicht direkt kulturelle Projekte fördern. Mit der geplanten Sponsorenbörse vermittelt sie aber Projekte an förderungswillige Unternehmen. Kontakt bei Uwe A. Nullmeyer, Haus Schütting, Am Markt 13, 28195 Bremen.

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