DAS DÄNISCHE NEIN ZUM EURO WAR EIN AKT DER ZIVILCOURAGE: Nur Diktatoren brauchen Gleichschritt
Das dänische Nein zum Euro ist ein Akt der Zivilcourage. Alle respektablen Politiker und Medien hatten für ein Ja geworben, aber die Wähler entschieden sich anders. Das muss jeden erfreuen, der Gehorsamsverweigerung gegenüber der Obrigkeit für eine demokratische Tugend hält.
Für die EU folgt daraus die Notwendigkeit der Einsicht in ihre eigenen Grenzen. Der Kontinent Europa ist zu vielfältig, um unter die Glocke einer Wirtschafts- und Währungsunion gepresst werden zu können, und eine politische Union wird den unterschiedlichen Staatsverständnissen und historischen Erfahrungen der EU-Mitglieder erst recht nicht gerecht. Bisher herrscht unter vielen europäischen Politikern der Irrglaube, ein geeintes Europa sei ein starkes Europa. Aber Europas Stärke wächst aus der Vielfalt, und Vereinigungsversuche von oben haben immer zur Katastrophe geführt.
Unweigerlich wird nun in der EU die Diskussion um ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ neuen Auftrieb erhalten. Zwar ist unter Experten bereits seit Monaten klar, dass die Entstehung eines „Kerneuropas“ – in dem einige wenige besonders integrationsfreudige Staaten sich stärker miteinander integrieren und die anderen eben nicht – unausweichlich ist. Nun aber werden die Vorprescher in dieser Richtung sich auf Dänemarks Ausscheren aus dem Euro berufen können, um ihre Pläne in aller Öffentlichkeit zu realisieren. Aber sowohl von den Befürwortern eines vereinten Europa wie auch von den Euroskeptikern wäre es unlauter, die sich abzeichnende Auffächerung der EU als Fehlentwicklung darzustellen. Nur Diktatoren brauchen Gleichschritt.
Die Lehre aus Dänemark ist einfach: Keinem Staat und keinem Volk darf eine bestimmte Konzeption von Europa aufgezwungen werden. Sich daran zu halten, schadet niemandem außer einigen Sandkastenvisionären, die mit der erzwungenen Einigung Europas eine imperiale Weltmacht bauen wollen und jeden, der auf die fehlende Legitimation solcher Überlegungen verweist, einen Populisten schimpfen. Wenn die Volksabstimmung in Dänemark dazu dient, Europas Zentralisten einen Dämpfer zu versetzen, hat sie ihren vornehmsten Zweck erfüllt. DOMINIC JOHNSON
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