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Lehren aus dem Schlaraffenland

■ Verkehrsplaner über kostenlosen Nahverkehr, weniger Autos, mehr Lebensqualität: Aussichtslose Ideen oder echte Chancen für Bremen?

Es hat was vom Schlaraffenland: Hasselt, ein mittelgroßes Städtchen in Belgien. Der Öffentliche Personen Nahverkehr (ÖPNV) ist dort umsonst und die zugeparkten Innenstadt wurde zum grünen Fußgänger-Boulevard umgestaltet.

Ob Bremen etwas von Hasselt lernen kann? Das Forum für Wohn- und Lebensqualität ging Ende vergangener Woche dieser Frage nach: „Mehr Mobilität, weniger Straßen“ wurde am Beispiel Hasselt (68.000 Einwohner) und dem brandenburgischen Templin (14.000 Einwohner, 17.000 Autos) diskutiert. Beide Städte hatten Mitte 1997 den Ticketverkauf für den Nahverkehr eingestellt: Busfahren war ab sofort umsonst, und zwar für alle. Das Resultat: Die Fahrgastzahlen verneunfachten sich in beiden Städten.

„Früher hatte man den Stadtbus bei uns nicht mal wahrgenommen“, erzählt Templins Vekehrsprojektleiter Thomas Hoffmann: „Da fuhren nur noch die drei "As" im Bus: die Alten, die Armen und die Auszubildenden.“ Seine Erfahrung: Busfahren musste man den Erwachsenen wieder beibringen. Das funktionierte in Templin vor allem, weil es so klein ist: Zwei Stadtbusse besitzt die Kleinstadt, die im Halb-Stunden Takt umhergondeln. Um das Projekt zu finanzieren, reichte schon die Erhöhung der Kurtaxe um 50 Pfennig.

Hasselt ist dagegen schon ein paar Nummern größer gedacht. Dort kam Anfang der 90er der Verkehr fast zum Erliegen: Der innere Ring hatte die höchste Verkehrsunfallquote im ganzen Landkreis, die Busse blieben im Verkehr stecken, und die Luftverschmutzung war extrem hoch, berichtet der dortige Projektleiter Jean Vandeputte.

Dann setzten sich die Stadt, die flämische Regierung und das Transportunternehmen an einen Tisch: Drei Jahre später verschwanden die Parkplätze in einer unterirdischen Tiefgarage. Der oben gelegene Boulevard wurde in einen großen Grünstreifen für Fußgänger, Radler und Busse zurückverwandelt, das Radwegenetzt ausgebaut. Anwohner mussten die Parkplätze jetzt mieten, während sich die Kosten für Kurzparken extrem erhöhten. Gleichzeitig wurden die Busse zum Nulltarif eingesetzt: Fünf-Minuten-Takt auf den Hauptverkehrsachsen. Über jeden Schritt wurden die Anwohner detailliert informiert, Widerstand gab es kaum. 770.000 Euro lässt sich Hasselt das Projekt kosten, das sind rund ein Prozent seines Jahreshaushalts.

Und das Projekt wurde zum vollen Erfolg: Inzwischen hat die Stadt knapp 20 zusätzliche Busse eingesetzt, die Taktzeiten haben sich verfünffacht, die Strecken verdoppelt. Den Bau einer neuen Autobahn um die Stadt konnte man sich sparen. Dafür bekam die Stadt quasi gratis international einen guten Ruf.

Nach solchen Ausführungen blickten die meisten der rund 50 Bremer ZuhörerInnen neidisch nach Templin und Hasselt. Denn für derlei Visionen hatte der Vertreter des Bremer Umweltressorts, Ulrich Just, nicht allzu viel Verständnis. Aber ob sich Bremen Freiti-ckets leisten könnte, scheint tatsächlich mehr als fraglich.

„So etwas kann nur in kleineren Städten funktionieren, für Bremen wäre das schlicht nicht bezahlbar“, meint zum Beispiel der Verkehrsexperte des BUND, Peter Müller, auf taz-Anfrage: Rund 320 Millionen (statt der bisherigen 170 Millionen) Mark müsste der Senat in den ÖPNV stecken. Selbst eine Halbierung der Tarife wäre immer noch ein ziemlich defizitäres Geschäft. Auch der Chef der Bremer Straßenbahn AG (BSAG), Georg Drechsler, ist skeptisch: „Leistung kostet ihren Preis, egal ob bei der Bahn oder beim Bäcker.“ pipe

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