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Schulcomputer stauben zu

Das Land streicht Zuschüsse für Computerassistentinnen. Damit beeinträchtigt es ein Projekt, das Eberhard Diepgen eigentlich zur Chefsache erklärt hat: Die Schulen für das Internet fit zu machen

von CHRISTIAN FÜLLER

Der Senat streicht Computerassistentinnen für Schulen die Zuschüsse. Das hört sich an wie ein kleiner, ganz normaler Lapsus, der beim notorischen Kürzen des Berliner Haushalts nun mal vorkommt. In Wahrheit stört das Land mit der Streichung so genannter Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) für Berliner Grundschulen ein ehrgeiziges Ziel der Bundesregierung. Bis Ende nächsten Jahres sollen alle deutschen Schulen am weltweiten elektronischen Netz sein – und die Lehrerschaft mit den digitalen Arbeitsmitteln umzugehen wissen.

Seit Oktober vergangenen Jahres unterstützt das Berliner Arbeitsförderungsprojekt Goldnetz mit 15 computererprobten Frauen den multimedialen Unterricht an Schöneberger und Kreuzberger Schulen. Die arbeitslosen Frauen, allesamt mit Vorwissen in der elektronischen Datenverarbeitung, wurden von Goldnetz für das internetgestützte Unterrichten weitergebildet. Sie halfen in einem halben Dutzend Schulen beim multimedialen Lernen. Damit ist jetzt Schluss, denn das Land hat die Strukturanpassungsmaßnahme gestrichen. Und das obwohl der Bedarf an den Schulen immens ist – er geht weit über 15 Computerassistentinnen hinaus. Denn bis dato wissen die meisten Schüler über Computer und Internet besser Bescheid als die dramatisch überalterte Lehrerschaft.

Für die die eigens fortgebildeten 15 Expertinnen der Schulcomputerei bedeutet die Kürzung von Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD) erneute Beschäftigungslosigkeit. Wie für 1.500 weiteren Qualifikanten des zweiten Arbeitsmarkts strich Schöttler die Landeszuschüsse auch für die Goldnetz-SAM. Projektleiterin Anke Peterssen ist ratlos. „Wir hatten eine echte Marktlücke entdeckt: Für Computerassistentinnen gibt es an den Schulen einen enormen Bedarf.“ Die Projektleiterin geht sogar noch einen Schritt weiter – sie glaubt, dass die Computerassistentinnen an sich richtige Stellen an den Schulen erhalten müssten, wo sie bislang unter dem Arbeitsförder-Regime beschäftigt waren. „Die Nachfrage nach computer- und interneterfahrenen Leuten ist so groß, „dass da eigentlich Schulsenator Klaus Böger etwas unternehmen müsste“, fordert Peterssen. Aus den betroffenen Schulen ist zu hören, dass sie die Assistentinnen für das virtuelle Lernen nur zu gern einstellen würden – aber ihnen fehlten die Mittel dazu. Also gehen die 15 Frauen ab heute wieder stempeln.

In den Schulen herrscht Empörung wegen des abrupten Endes der sinnvollen SAM-Jobs. Als vor einer Woche die Eltern der Kreuzberger Charlotte-Salomon-Schule davon erfuhren, dass die Computerssistentinnen wieder rausfliegen, gab es allgemeines Kopfschütteln. „Lehrer und Eltern können das nicht verstehen“, sagt Claudia Benders, selbst Mutter einer Schülerin. „Jetzt müssen ausgerechnet diejenigen gehen, die wissen, wie ein Computer im Unterricht sinnvoll eingesetzt werden kann.“ Die 15 Assistentinnen wurden bei Goldnetz in Lernsoftware unterrichtet, in den Schulen machten und erklärten sie didaktische Internetrecherchen und bereiteten sogar Computeraufgaben für verhaltensauffällige Kids vor.

Die Kürzungsmaßnahme ist aber nicht allein für die Arbeitssenatorin peinlich. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat für Berlin die Computer- und Internetaufrüstung der Schulen ebenso zur Chefsache erklärt wie Kanzler Gerhard Schröder im Bund. Um das Vorhaben voranzutreiben, hat das Land eigens dafür eine Initiative namens „Computer in die Schulen“ gegründet, kurz CidS. In einem halben Dutzend Schulen sind die von CidS angeschafften Rechner ab heute wieder dem tristen Schulalltag ausgesetzt. „Als wir mit dem Projekt angefangen haben“, berichtet Anke Peterssen, „lag auf Bildschirmen und Tastaturen dicker Staub. Nun können die Rechner wieder vermotten.“

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