Friede, Freude, Kohl

CDU feiert Wiedervereinigung mit ihrem Patriarchen. Helmut Kohl lobt SPD-Vorgänger Schmidt und Brandt. Merkel ignoriert neue Spendenvorwürfe

BERLIN taz ■ Die Union hat ihren Festakt zum zehnten Jahrestag der Vereinigung von West- und Ost-CDU in eine große Versöhnungsfeier mit Helmut Kohl umgewidmet. „Wir freuen uns, dass Sie heute hier sind“, rief Parteichefin Angela Merkel ihrem politischen Ziehvater zu. „Die CDU ist und bleibt meine politische Heimat“, stellte Kohl zufrieden fest.

Vor, während und nach seiner Rede wurde der Exkanzler, Exparteichef und Exehrenvorsitzende mit Beifall geradezu überschüttet. Ganz so, als hätte es eine Spendenaffäre nie gegeben, ignorierte die CDU gestern auch die neuesten Vorwürfe ihres ehemaligen Generalbevollmächtigten Uwe Lüthje.

Der Spiegel hatte am Wochenende Aufzeichnungen Lüthjes veröffentlicht, nach denen Kohl seinen Vertrauten schon 1982 um „Argumentationshilfe“ zu illegalen Parteispenden gebeten hat. Auch Kohls damals noch treuer Freund Wolfgang Schäuble soll 1982 an einem millionenschweren Bargeldtransfer von der CDU-Fraktion an die Partei beteiligt gewesen sein.

Mit derlei unerfreulichen Details hielt sich die CDU bei ihrem Festakt im Berliner „Haus der Wirtschaft“ nicht auf. Merkel wies die Richtung, indem sie Kohls Verdienste hervorhob und betonte: „Die 25 Jahre des Parteivorsitzenden Helmut Kohl werden mit Konten und Rechenschaftsberichten nicht ausreichend beschrieben.“ Im Zusammenhang mit dem heftigen Parteienstreit um die Verdienste an der deutschen Einheit betonte Merkel, die Diskussion darüber dürfe nicht von SPD-Chef und Bundeskanzler Gerhard Schröder bestimmt werden: „Das werden wir nicht zulassen.“

Kohl selbst versuchte zum ersten Mal seit langem wieder, die Rolle des weisen Staatsmanns zu spielen. Fast schien es, als hätte er Kreide gefressen. Im Gegensatz zu seinen Äußerungen der vergangenen Tage – und abweichend von seinem Redemanuskript – erwähnte Kohl diesmal ausdrücklich die Verdienste seiner SPD-Vorgänger Helmut Schmidt und Willy Brandt.

Anders als kürzlich noch CDU-Fraktionschef Friedrich Merz betonte Kohl auch, es habe in der SPD viele gegeben, die die deutsche Einheit wollten. Lediglich die „Führung der deutschen Sozialdemokraten“ habe „in dieser Schicksalsfrage versagt“.

Kurz schien es sogar, als wollte Kohl ein bisschen Selbstkritik üben. „Es ist auch wahr, dass wir in der Regierungsverantwortung Fehler gemacht haben“, hob Kohl an, „das sage ich auch für mich persönlich.“ Aber nur, „weil ich es besser weiß als jeder andere“, Ein Schelm, wer da an die angeblichen Millionenspender dachte, deren Namen Kohl nach wie vor verschweigt. Und ein Bösewicht, wer ihm seine Versprechungen der „blühenden Landschaften“ im Osten vorhält: „Wer heute mit offenen Augen von Rügen bis zum Erzgebirge fährt“, der werde erkennen: „Es gibt sie, die blühenden Landschaften.“

CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz war hinterher sehr zufrieden. Er könne sich gut vorstellen, so Polenz zur taz, dass Kohl bald auch im Bundestag wieder für die CDU ans Rednerpult tritt: „Warum nicht?“

LUKAS WALLRAFF