piwik no script img

Bei den Krankheiten liegen die Ossis vorn

Diabetes, Herzkrankheiten, Übergewicht – die Ostdeutschen essen fetter, bewegen sich weniger und fühlen sich unwohler als die Wessis. Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) legt die zweite Vergleichsstudie vor

BERLIN taz ■ Früher wurde noch richtig fett gegessen. Schweinswürste, Braten und Butterkremtorte standen ganz oben auf der Speisekarte der Deutschen. Heute leisten sich immer weniger Menschen die Dickmacher. Nur noch ein Drittel der täglichen Nahrung besteht aus Fettanteilen. Ende der Achtzigerjahre lag ihr Anteil bei 40 Prozent.

„Das ist eine günstige Entwicklung“, konstatiert das Bundesgesundheitsministerium. Damit erschöpfen sich aber auch schon die guten Nachrichten über den Zustand der Gesundheit der Deutschen in Ost und West. Obwohl wir nicht mehr so reichhaltig essen, werden wir immer dicker. Zu diesem verblüffenden Ergebnis kommt eine neue Studie, die Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) jetzt vorgelegt hat.

In den vergangenen zehn Jahren wurde starkes Übergewicht vor allem bei Männern im Osten und Frauen im Westen gemessen, so die Studie „Gesundheit in den neuen Ländern“. Von den Ost-Männern schleppen sich knapp 22 Prozent mit einem Body Mass Index (BMI) von höher als 30 durch die Gegend. Im Westen trifft es 18 Prozent der Männer. Auf den ersten Blick scheint die Differenz nicht relevant. Doch im Vergleich zu 1991 stieg die Anzahl dicker Menschen allgemein um nur 2 Prozent an. Die Studie hält die Verbreitung von starkem Übergewicht für „alamierend“. Die Zahlen sind ein Signal für künftige Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen. Als Spätfolge von Übergewicht nehmen die Wohlstandskrankheiten wie Diabetes und Herzkrankheiten zu.

Bereits heute zeigen Ost und West deutliche Unterschiede auf. Vier Millionen Diabetiker gebe es in Deutschland, schätzt der Gesundheitsbericht. Gut 90 Prozent zählen zu den so genannten Altersdiabetikern, bei denen die Krankheit ab dem 60. Lebensjahr auftritt. Im Osten ist sie häufiger verbreitet als im Westen. Knapp 40 Prozent der Diabetikerinnen im Osten haben starkes Übergewicht, im Westen liegt ihr Anteil deutlich unter 30 Prozent.

Je beleibter, desto anfälliger. Auf diese Kurzformel gebracht werden können auch die vorliegenden Daten zu den Krankheiten Bluthochdruck und Herzinfarkt. Auf die Frage, wie sie Wohlbefinden definieren, antworten die meisten Befragten der Studie, wichtig sei ihnen eine gute Gesundheit. Aber die wenigsten tun aktiv etwas dafür, zumindest wenn sie älter als 20 Jahre sind.

Vor allem ostdeutsche Männer bewegen sich zu wenig. So liegt der Anteil derer, die mehr als zwei Stunden in der Woche Sport treiben, niedriger als bei westdeutschen Männern. Bei den Frauen sieht die Sache anders aus. Sie treiben gleich viel Sport, egal ob sie in Köln wohnen oder in Stralsund.

Lässig verhalten sich die Befragten auch beim Thema Vorsorge. Gingen 1994 noch 9 Prozent zu den Untersuchungen, so waren es drei Jahre später im Osten nur noch 8,3 Prozent. Im Westen stieg die Rate, von 11 auf 12,5 Prozent. Warum im Osten das Interesse an Prävention nachlässt, sagt die Studie nicht. Möglicherweise wollen die Versicherten ihren Krankenkassen Ausgaben sparen und vernachlässigen aus falsch verstandener Solidarität den Gesundheitscheck.

Beim Thema Rauchen haben Ost und West schon lange keine Anpassungsschwierigkeiten mehr. Der Anteil rauchender Ost-Frauen steigerte sich in den vergangenen zehn Jahren um 42 Prozent und erreicht nun „Westniveau“. Die Männer entfernten sich von einander. Lagen sie früher auf gleicher Höhe, rauchen heute im Westen 7 Prozent weniger als 1990.

Im Krankenhausbereich hat sich eine komplette Neuordnung vollzogen: Gab es 1989 noch 500 Kliniken, konnten sich die Patienten neun Jahre später in 303 Krankenhäusern versorgen lassen. ANNETTE ROGALLA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen