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Bock und wie er die Welt sah

■ Jetzt wird es immer deutlicher: Der Trend geht zur Ich-Geschichte.Die GAK präsentiert den schwer angesagten Vortragskünstler und Neudadaisten John Bock

Selbst namhafte Zeitungen werfen inzwischen alte Wertvorstellungen über Bord. Um die komplizierte Welt verstehbar zu machen, setzen sie nicht mehr auf die klassische Form der Nachricht oder des Hintergrundberichts. Vorerst noch zur Ergänzung der scheinbar objektiven Formen heuern sie AutorInnen an, die der Welt sogar in vormals als seriös geltenden Ressorts wie Politik oder Wirtschaft mit so genannten Ich-Geschichten in erster Person Singular zu Leibe rücken. In der bildenden Kunst gibt es diese Erscheinung – o Gemeinde, lasset uns höher traben: – diesen Trend schon länger. Junge KünstlerInnen bauen Ich-Geschichten aus den Informations- und Bildungssplittern zusammen. In würdiger Nachfolge des Dadaisten Kurt Schwitters und Joseph „Jeder ist ein Künstler“ Beuys machen so Thirty-Somethings aus Deutschland einig Vaterland von sich reden. Einer von ihnen heißt John Bock. Die Gesellschaft für aktuelle Kunst (GAK) stellt ihn jetzt auch den BremerInnen vor.

Der 1965 in Gribbohm in Schleswig-Holstein geborene und mittlerweile in Berlin lebende John Bock soll schon an der Hamburger Kunsthochschule einen legendären Ruf hinterlassen haben. Seine Ich-Geschichten äußern sich vor allem in Form von Performances oder, wie er selbst lieber sagt, Vorträgen. Für diese Auftritte hüllt er sich in wilde Kostüme, die er sich von einem Schneider anfertigen lässt. Außerdem schafft er sich Bühnenbilder, die mitunter im Anschluss an die Vorträge in Galerieräumen wie der GAK ausgestellt werden.

Sein Bremer Projekt hat John Bock „Floß“ genannt. Beim Gang durch die Galerie hätte man auch von selbst drauf kommen können, denn gleich hinter dem Eingang hat Bock ein skurilles Gefährt mit blauen Tonnen unten drunter aufgebockt. Es diente als Vehikel für seinen Vortrag, der jetzt in einer Videoaufzeichnung zu sehen ist.

Bocks „Floß“-Welt ist ein krudes, munter dilettierendes und bisweilen brüllend komisches Durcheinander aus wissenschaftlichem Vortrag, kinderleichter Literatur- und Legendenverpuzzelung sowie aus wagemutigen Miniaturstunts. Auf und dann sogar auch in der Weser schwimmend, parliert er von der „Kunstwohlfahrt“ und dem „Aura-Aroma“ und illustriert die amüsante Show mit samt Regieanweisungen skizzierten Miniaturdramen, für deren Inszenierung sich nur vorerst noch kein Theaterintendant interessiert hat.

Die Dekonstruktion ist passé, es lebe die Rekonstruktion. Und John Bock ist unter den weltweit tätigen Trendscouts der Kunstszene offenbar schwer angesagt: Auf Teilnahmen an der „German Open“ 1999 in Wolfsburg und an der Bienale 99 in Venedig folgten jetzt Einladungen ins Museum for Modern Art in New York, wo Bock nach Angaben der GAK-Leiterin gleich vier – nun doch – Performances aufführt. Dabei heuert er Laienmodels an und hüllt sie in seine bizarren Kleidungseinfälle, gegen die der noch wagemutig-freche frühe Jean-Paul Gaultier fast wie ein Waisenknabe aussieht. Diese Riffel-, Nippel- und Regaljacken, Außentaschensakkos oder Gebährpullover sind säuberlich unter einem Zeltdach im hinteren Teil der Galerie aufgehängt und beenden diese Ich-Geschichte aus Bocks Welt. ck

Bis zum 5. November täglich außer montags von 11-18 Uhr in der GAK, Teerhof 21.

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