: Kein Massengeschäft in Sicht
Die Hamburger Ökostrom Handels AG gehört zu den Pionieren im Markt für grünen Strom. Trotzdem ist das Unternehmen bislang klein geblieben. Die Geschäftsführung hofft auf neuen Schwung durch die geplante Einführung des Zertifikatshandels
aus Hamburg GERNOT KNÖDLER
Der Auftritt hatte hohe Erwartungen geweckt: Im Februar vergangenen Jahres gaben die Hamburger Ökostrom Handels AG und die deutsch-schedische Vasa Energy bekannt, dass sie jetzt die ersten Haushaltskunden in Deutschland direkt mit sauberem Strom belieferten. Ein paar Monate später versorgte Ökostrom Greenpeace mit grünem Strom und machte sich Hoffnungen auf die 60.000 Grünstrom-Interessenten, die die Umweltorganisation mit ihrer Aktion Stromwechsel ermittelt hatte. Heute beziehen gerade mal 600 Haushaltskunden Ökostrom. Und Vasa Energy gehört jetzt dem Atom-Konzern HEW.
Dass aus dem Traum der Ökostrom Handels AG nichts geworden ist, hat verschiedene Gründe: Die Wechselbereitschaft der Stromkunden erwies sich als gering. Greenpeace gründete einen eigenen Stromversorger, um mit seinem Markennamen den Wechsel zu fördern. Und die Ökostrom Handels AG hat nach Angaben ihres Geschäftsführers Karl-Wilhelm Kuenen einen jährlichen Werbeetat von lediglich 100.000 Mark.
Vor allem durch die Entscheidung von Greenpeace sei ein Strategiewechsel nötig geworden, sagt Kuenen. Statt Strom an eine Massenkundschaft abzusetzen, wird Ökostrom bis auf weiteres klein bleiben. „Unsere Strategie ist: Als jemand, der erneuerbare Energie produziert, möchten wir auch den Handel aufrechterhalten, und sei es auf Sparflamme.“
Kuenens Firma ist eine Tochter der Hamburger P & T Technology AG, die wiederum aus dem Windenergiebüro der Ingenieure Jens Peters und Wolfgang Trüschel hervorgegangen ist. P & T Technology plant und errichtet Windparks, an denen sich dann Anleger beteiligen können. Die Ökostrom Handels AG kauft diesen Windstrom und setzt ihn bei den Kunden ab. Mit ihrer Tochter Ökostrom will P & T den Fuß in der Tür zum Strommarkt behalten. Kuenen spricht von einer „strategischen Positionierung“ des Unternehmens.
„Ob und wann wir Gewinne in einem gewissen Umfang erwirtschaften können, ist eher unklar“, räumt der Geschäftsführer der Ökostrom Handels AG freimütig ein. Dass ein großer Teil der Stromkunden auf grünen Strom umsteigen wird, erwartet Kuenen allenfalls mittelfristig: Die Preise für die konventionellen Energieträger würden langfristig steigen, während die Ausbeutung der regenerativen Energiequellen technisch verfeinert werde. „Ob der Umstieg durch den Kundenwunsch kommt oder durch den technischen Fortschritt und die allgemeine Marktentwicklung, vermag ich nicht zu sagen“, stellt Kuenen fest. Jedenfalls sei das „eine Sache, die sich nicht in den nächsten zwei Jahren abspielen wird, sondern in den nächsten 30“.
Als Konsequenz aus den schlechten Aussichten setzt Kuenen auf die Einführung des Handels mit Zertifikaten für sauberen Strom. Alle Stromhändler würden dann verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihres Stroms aus Kraft-Wärme-Koppelungs-Anlagen oder aus regenerativen Quellen zu beziehen.
Statt das tatsächlich zu tun, könnten sie aber auch von Firmen wie Ökostrom Zertifikate für grünen Strom erwerben. Diese Zertifikate könnte jeder Stromhändler verkaufen, der mehr als den gesetzlich geforderten Anteil an sauberem Strom einkauft. Kuenen meint, dass auf diese Weise die Mehrkosten, die durch das Erzeugen sauberer Energie entstehen können, besser verteilt würden. Zwar räumt er ein, „dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einen deutlich positiven Effekt aufweist als Förderinstrument für den Strommarkt“. Das Problem bestehe jedoch darin, dass es jederzeit möglich sei, das EEG wieder abzuschaffen, das den Erzeugern von grünem Strom feste Preise garantiert.
Den Absatz des eigenen Ökostroms will Kuenen durch die Konzentration der Vertriebsaktivitäten auf Hamburg und Berlin fördern. Bei dem knappen Budget und insgesamt fünf Mitarbeitern bleibt ihm nicht viel anderes übrig. Die Ökostrom Handels AG präsentiert sich überdies auf öffentlichen Veranstaltungen wie etwa Verbrauchermessen. Schließlich versucht sie in die Strompreistabellen im Internet zu kommen: www.greenprices.de, www.stromtabelle.de, www.stromtarife.de. Ökostrom selbst ist unter www.oekoag.de zu finden.
Berührungsängste beim Vertrieb kennt Kuenen nicht: Seit September beliefert Ökostrom diejenigen unter den rund 280.000 Kunden der Elektrizitätswerke Minden-Ravensberg (EMR), die sauberen Strom beziehen wollen. Dafür dürfen sich die EMR brüsten, mit Ökostrom zu kooperieren – als Ausgleich für die peinliche Tatsache, dass die EMR einen Teil des Atomkraftwerks Grohnde besitzen. So sieht es zumindest Kuenen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen