: Grund zur Skepsis für Kosovo-Albaner
Die Forderung nach Unabhängigkeit verliert nach Koštunicas Sieg an Legitimität. Kouchner will Dialog
SARAJEVO taz ■ Der Umsturz in Belgrad hat im von der UNO verwalteten, zu Serbien gehörenden Kosovo sowohl bei Serben wie bei Albanern Reaktionen mit skeptischem Unterton hervorgerufen. Die Albaner befürchten, dass mit dem Sieg Koštunicas die internationale Gemeinschaft die Unabhängigkeit Kosovos von Serbien nicht mehr zulassen würde. Sie gerieten dann mit ihrem Bestehen auf Unabhängigkeit in Gegensatz zu den internationalen Organisationen.
Der UN-Administrator des Kosovo, Bernard Kouchner, versuchte in seinen ersten Stellungnahmen nicht, entsprechende albanische Befürchtungen zu zerstreuen. Ein Traum sei für ihn in Erfüllung gegangen, erklärte er. „Ich werde versuchen, einen Dialog mit der neuen Regierung aufzunehmen, um die Arbeit zu beginnen, die Probleme des Kosovo zu lösen.“ Die UN-Mission im Kosovo werde jedoch weiterhin versuchen, das Mandat zu implementieren, das in der UN-Resolution 1244 festgelegt ist, nämlich eine substantielle Autonomie zu erreichen.
Nach Meinung der albanischen Politiker aller Parteien ist Koštunica dagegen ein serbischer Nationalist, der im Kosovo neue Unruhe schaffen wird. Blerim Shala, Chefredakteur der wichtigsten albanischen Tageszeitung im Kosovo, Zeri, erklärte, er freue sich für die Menschen in Belgrad, jede demokratische Veränderung sei zu begrüßen, man müsse aber bedenken, dass nach der Französischen Revolution neue Kriege vom Zaum gebrochen wurden.
Die Serben in Mitrovica haben bisher die Position Milošević’ voll unterstützt. Dagegen begüßte der Vertreter der orthodoxen Kirche, Bischof Artemije, die neue Regierung und drückte seine Hoffnung aus, dass mit Koštunica eine neue Politik im Kosovo beginnen werde.
In der serbischen Teilrepublik Bosniens, der Republika Srpska, sind viele Stimmen überschwenglich. Premierminister Milorad Dodik begrüßte den Machtwechsel in Belgrad und erklärte, „dies ist ein historischer Tag für Serbien“. Im gleichen Atemzug forderte der Premierminister die Entwicklung von „speziellen Beziehungen“ zwischen der Republika Srpska und der Bundesrepublik Jugoslawien. Angesichts der destruktiven Politik Milošević’ sei es bisher nicht zu einer Annäherung der beiden Seiten gekommen, erklärte der Premier. Der Vorsitzende der Sozialistischen Partei in der Republika Srpska, Živko Radišić, blieb dagegen diplomatisch. Es habe noch nie zwei Präsidenten in Serbien gegeben, die legalen Institutionen müssten wieder funktionieren, erklärte der mit Milošević verbundene Politiker.
Enttäuscht zeigte sich dagegen der Chef der „Serbischen Demokratischen Partei“, die als rechtsextremistisch einzustufen ist. Mirko Sarović erklärte, Koštunica werde lediglich deshalb vom Westen unterstützt, weil dieser Milošević stürzen wolle, und fügte hinzu, es wären „gefährliche“ Tage zu erwarten.
Gefahren sehen auch die Regierungen Kroatiens und Bulgariens. Sie verstärkten ihre Truppen an den Grenzen ihrer Staaten zu Jugoslawien, illegale Grenzübertritte sollen verhindert werden. In Kroatien wird die Entwicklung in Serbien mit Sympathie, wenn auch mit Distanz betrachtet.
Im Hintergrund hat jedoch eine Diskussion über die Verteilung internationaler Hilfsgelder begonnen. Die Äußerungen von Bodo Hombach, Serbien würde im Rahmen des Stabilitätspaktes sofort und nachhaltig von internationaler Seite unterstützt werden, lässt zumindest in Bosnien und Herzegowina die Befürchtung aufkommen, dass die wegen Kosovo ohnehin schon gekürzten Etats für die Unterstützung des Landes wegen Serbien nochmals gekappt würden.
ERICH RATHFELDER
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