die indertaz: Inder in Deutschland
Heilige Kühe, Räucherstäbchen, Mystik – Indienklischees dienen vielfach als Projektionsfläche, für Ängste wie für Hoffnungen und kleine Fluchten. Dazu gehört auch die neueste Variante, die von den „IT-Indern“.
Eine Auseinandersetzung mit der indisch-deutschen Migrationsgeschichte findet dagegen nicht statt. Die könnte nämlich zeigen, wie sich Indischstämmige in Deutschland ihre eigenen Integrationswege gesucht haben, trotz allen Hindernissen und nicht zuletzt mit einem Entwicklungsgewinn für Deutschland.
Fast ist es vergessen: In den 60er Jahren, als deutsche Institutionen in großem Stil Arbeitskräfte ins Land holten, suchte man auch in Indien gezielt nach „Gastarbeitern“: jung, ledig, unabhängig. Um dem Mangel an Pflegekräften zu begegnen, warb man vor allem in den südlichen Bundesstaaten, wo relativ viele Angehörige der christlichen Religionen lebten – wichtig für unsere konfessionellen Krankenhäuser. Etwa 6.000 Personen, überwiegend Frauen, kamen; sie wurden ihren Aufgaben in Deutschland entsprechend (weiter-)qualifiziert.
Heute leben noch etwa 3.000 von ihnen als „Ausländer“ in Deutschland (Aufenthalt seit 25 Jahren und länger); hinzu kommen Indischstämmige, die mittlerweile einen deutschen Pass besitzen. Ein beträchtlicher Teil der frühen Arbeitsmigranten ist nach Indien zurückgekehrt oder in die USA, nach Großbritannien oder Kanada weitergewandert. Von den weltweit über 20 Millionen indischen Migranten lebten zum Jahreswechsel genau 34.321 Personen in Deutschland. Als eine der kleinen Migrantengruppen bleiben sie hier in Statistiken meist unsichtbar, „sonstige Ausländer“.
Indische MigrantInnen, die sich dauerhaft in Deutschland niederlassen konnten und wollten, gehören heute zu den recht gut integrierten Gruppen. So zählen die etwa 10.000 berufstätigen Inder (bzw. ihre Familienangehörigen) zu den Migrantengruppen mit den höchsten Einkommen. Sie üben im wesentlichen typische „deutsche“ Mittelschichtsberufe aus: Ärzte, Wissenschaftler, Geschäftsleute.
In indischen Familien wird stets Wert auf gute Bildung und Ausbildung gelegt, auch hierzulande. Die zweite und dritte Generation der indischen Arbeitnehmerfamilien in Deutschland weisen ein Bildungsniveau auf, das deutlich über dem der Eltern oder Großeltern liegt. Einen langfristig gesicherten Aufenthaltsstatus hat die Mehrheit allerdings nicht: 10,3 Prozent besitzen eine Aufenthaltsberechtigung, weitere 18 Prozent eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Überraschend ist die Vielfalt indisch-deutscher Institutionen und Selbstorganisationen, die anspruchsvolle Veranstaltungen, Kurse oder einfach Treffs anbieten. Die Deutsch-Indische Gesellschaft mit Hauptsitz in Stuttgart ist allein Dachverband von Teilgesellschaften in 29 Städten (www.dig-ev.de). Dort oder auch beim Indischen Kulturinstitut in Frankfurt kennt man zusätzlich regionale Selbstorganisationen und kleinere Initiativen, die durch eigene Suche, etwa in Telefonbüchern, nur mühsam zu finden sind.
Im Internet findet sich neben „Klassik“ auch besonders Pfiffiges: InderNet, eine selbstbewusste, junge und kompetente Gruppe im Aufbaustadium lädt zum Mitmachen ein: www.theinder.net. MARIE-LUISE GRIES
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