: Basisdemokratie als Theatergebot
Von der linken, zur ästhetischen, zur jungen Bühne: Die Berliner Schaubühne im Wandel der Zeiten
Die Schaubühne ist ein altes Stück Westberlin. Nachdem das Ensemble 1962 als „Schaubühne am Halleschen Ufer“ als privates Theater mit sozialpolitisch engagiertem Spielplan und gegen die Tradition der Staatstheater gegründet wurde, versuchten in den 70ern junge Theatermacher neue Formen der Theaterarbeit umzusetzten. Herausragende Figur dabei war der Regisseur Peter Stein. Ein Mitspracherecht aller Mitarbeiter bei der Auswahl der Stücke und der Gestaltung des Spielplanes war künstlerisches und politisches Prinzip.
Hochkarätige Gäste (wie etwa der Regisseur Robert Wilson) und ein Ensemble mit inzwischen bekannten Schauspielern (wie Otto Sander, Udo Samel, Edith Clever) hielten Ruf wie Niveau hoch und bescherten der Schaubühne ein westdeutschlandweites, sogar internationales Publikum und viele Einladungen zu Theatertreffen.
In den 80ern wurden jedoch die Inszenierungen ästhetizistischer und verschreckten einen Teil des linken Stammpublikums. Neben Tschechow wurden gerne zeitgenössische Autoren wie Botho Strauß und Peter Handke gespielt. Inzwischen (1981) war die Schaubühne in die Westberliner City zum Ku’damm umgezogen, wo sie nun ihren festen Platz hat. Das Gebäude am Lehniner Platz war in den Zwanzigerjahren von Bauhaus-Architekt Erich Mendelsohn als UFA-Kino gebaut worden.
Nach dem Mauerfall richtete sich das öffentliche Interesse erst einmal auf die Theater im Ostteil der Stadt. Besonders die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz unter der Leitung von Frank Castorf betrat mit spektakelhaften Inszenierungen, Stücke-Collagen und provozierten Skandälchen zukunftsweisendes Theaterterrain.
Der Generationswechsel in der Schaubühne am Lehniner Platz hat im Herbst 1999 stattgefunden. Die neue junge Leitung besteht nun aus Thomas Ostermeier, der vorher eine Nebenbühne („die Baracke“) des Deutschen Theaters bespielte, Sasha Waltz, die durch ihre Choreographie „Allee der Kosmonauten“ über die Sophiensaele hinaus bekannt wurde, sowie Jochen Sandig und Jens Hillje.
Wie ihre „Väter“ dreißig Jahre vorher, traten sie mit einem hohen Anspruch an: Repolitisierung des Theaters, Mitspracherecht der Ensemblemitglieder (regelmäßige Vollversammlungen), Einheitsgehalt. Außerdem existiert neben dem Sprechtheater gleichberechtigt der Tanz im selben Haus.
Mit der selbstbewussten Äußerung, die „Alten“ seien doch schon fast in der Gruft, zog Thomas Ostermeier die Aufmerksamkeit auf das junge Team und muss sich nun die Kritik gefallen lassen, mit der Repolitisierung sei es wohl nicht weit her und man habe sich zu viel vorgenommen. KATJA GEULEN
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