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Bummbummbumm im Bett

■ Was würde Rudi Dutschke dazu sagen? Im Viertel regt sich Bürgerprotest gegen den neuen Club in der „Lila Eule“ / Monotone Bässe lassen Anwohnernerven vibrieren

Früher, als die „Lila Eule“ noch um vier Uhr morgens schlafen ging, da war die kleine Welt der Bernhardstraße noch mehr oder weniger in Ordnung. Doch seitdem im September ein Techno/House-Club mit dem Namen „X-ite“ in das traditionsreiche Gemäuer zog, herrscht Krisenstimmung bei den Anwohnern. Sie fühlen sich von „monotonen Basstönen“ verfolgt, die am Wochenende sogar vormittags aus der Wiege der Bremer Alternativszene dringen. Der Betreiber indes sieht sich in existentiellen Nöten, sollte sein „Morning club“ eingestellt werden.

Einer der Viertel-Bewohner, die überhaupt nicht mehr excited über die neue Nachbarschaft sind, ist Kim Wittkuhn. Eigentlich sei er ja lärmresistent, sagt der 32-Jährige, der gemeinsam mit Frau und Kind im Haus direkt gegenüber des Clubs wohnt. Doch jetzt liege er morgens im Bett und höre nur noch „bummbummbumm“. Dieser „eine dumpfe Bass“ ist es, der seine Nerven strapaziert, „der geht durchs ganze Haus“. Wochenend-Besucher würden um fünf Uhr unfreiwillig geweckt. Auch andere Anwohner berichten von einer „ganz neuen Dimension von Geräuschen“, die mit der früheren Eulen-Musik nichts gemein haben soll.

Die Ursache ist neben dem durchdringenden „Körperschall“ der neuen Verstärkeranlage vor allem das erweiterte Angebot des Clubs. Dessen Betreiber haben offensichtlich eine Marktlücke entdeckt und bieten am Wochenende und an Feiertagen eine Art musikalischen Frühschoppen an: Nach dem Nachtprogramm folgt ohne Unterbrechung der „Morning Club“ von sechs bis weit nach 13 Uhr. Das liberale Bremer Gaststättenrecht macht's möglich. Donnerstags dröhnen die Bässe bis zwei Uhr morgens – obwohl Diskotheken-Betreiber Jürgen Zietlow auch hier gern länger aktiv wäre.

Bei der Sitzung des Ortsbeirats Mitte am Montag, zu dem zahlreiche betroffene Anwohner gekommen waren, gab sich Club-Chef Zietlow verständnisvoll. Er habe „extrem sensibilisierte Türsteher“, ein Schallschutzvorhang sei montiert worden, demnächst komme ein Gutachter, um den tatsächlichen Lautstärkepegel zu messen. Auch eine Art Not-Telefon soll bereits existieren – das jedoch nach Auskunft der Anwohner außer flapsigen Antworten noch keine Ergebnisse gezeigt haben soll.

Aus Zietlows Sicht steht keineswegs fest, dass allein das „X-ite“ für die nächtliche Belastungen verantwortlich ist – schließlich gebe es auch noch Lagerhaus und Paradox. Und: Die Geschäftsleute in der Nachbarschaft hätten kein Problem mit dem Vormittagsprogramm.

Er sieht in den vielen Beschwerden inzwischen sogar ein „Politi-kum“. Hintergrund: Auf einem Informationsblatt hatten die Anwohner die politische Vergangenheit Zietlows ins Spiel gebracht. Dieser soll vier Jahre lang im niedersächsischen Zeven für die Republikaner im Stadtrat gesessen haben. Mittlerweile habe er sich aber „von diesen Ansichten distanziert“, so der X-ite-Mann.

Als „töricht“ empfindet es Ortsamtsleiter Robert Bücking, in dieser Form gegen den Club-Betreiber vorzugehen. Er gab den phon-geschädigten Bürgern, die sich um ihre Wochenenden betrogen fühlen, den Rat, genaue Belege für die Bass-Attacken zu sammeln. Nur so sei auf dem Verwaltungs irgendetwas zu erreichen. Aus Sicht der strapazierten Anwohner, die den „Morning Club“ geschlossen sehen wollen, eine viel zu langwierige Prozedur. Dem Gutachter, der am Wochenende erstmals mit einem Phonmessgerät anrücken wird, trauen sie nicht über den Weg: Dieser hat nach Zietlows Angaben bereits mit dem „X-cite“ verabredet, wann gemessen wird. hase

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