BVG-Tickets sollen Chipkarten werden

Das so genannte elektronische Ticketing könnte schon 2003 Wirklichkeit werden. Möglich wäre dann auch eine entfernungsabhängige Abrechnung. BVG will ihre Ticketing-Idee anderen Städten zum Verkauf anbieten

Die Chipkarte in der Jackentasche, eine U-Bahn-Fahrt nach Kilometern berechnet – die BVG-Fahrgäste könnten sich demnächst in einer neuen Welt wiederfinden. „Wir werden im Frühjahr entscheiden, ob wir das elektronische Ticketing einführen“, sagte gestern Rüdiger vorm Walde. Der BVG-Chef zeigte sich optimistisch: Bereits 2003 könnte das System Wirklichkeit werden.

Sieben Monate lang hatten rund 26.000 Tester die Chipkarte ausprobiert. Das neue System sei bei den Fahrgästen auf große Zustimmung gestoßen, so vorm Walde. Der Versuch kostete 14,5 Millionen Mark. Kernstück des Systems ist eine Chipkarte. Mit ihr müssen sich die Fahrgäste vor jeder Fahrt einchecken und bei Fahrtende wieder auschecken. Das Fahrgeld wird automatisch vom Guthaben abgebucht. An Ticketboxen werden die Chips nachgeladen.

Das System könnte einen radikalen Wechsel in der Tarifpolitik ermöglichen: Denkbar wären eine kilometerweise Abrechnung oder unterschiedliche Preise zu verschiedenen Zeiten. Teuer im Berufsverkehr, billiger am Abend. Mit der Chipkarte kann man auch andere Dienstleistungen bezahlen, etwa die Gebühren im Parkhaus. Autofahrern soll so ein Umsteigen auf den Nahverkehr erleichtert werden.

Die Chipkarte ermöglicht zudem eine Erfassung der Fahrgastströme. Das Angebot könne daher besser auf den Bedarf abgestimmt werden, sagte vorm Walde. Datenschutzrechtliche Probleme sah der BVG-Chef kaum. Man sei an keinem Bewegungsprofil der einzelnen Fahrgäste interessiert, sämtliche Daten könnten anonymisiert werden.

Bei dem Testversuch musste die Karte noch an einem Lesegerät vorbeigeführt werden – ein umständlicher Vorgang. Dies sei für heutige Zeitkartenbesitzer nicht akzeptabel, sagte gestern ein Sprecher des Fahrgastverbandes. Stattdessen könne ein System entwickelt werden, das wie die elektronische Schranke im Kaufhaus funktioniere. Wer durchläuft, ist automatisch eingecheckt – wenn er einen aufgeladenen Chip in der Tasche hat. Potenzielle Schwarzfahrer würden so nicht per Drehkreuz, sondern elektronisch ausgesperrt.

Die BVG arbeitet bei der Entwicklung des Systems, das auch anderen Städten angeboten werden soll, mit Motorola zusammen. Der US-Elektronikkonzern eröffnet heute in Tegel eine neue Fabrik mit zunächst 500 Arbeitsplätzen. Zurzeit baut Motorola ein multifunktionales Chipkartensystem an der TU auf.

RICHARD ROTHER