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Oppermann dereguliert Uni-Demokratie

Niedersachsens SPD-Wissenschaftsminister will ein radikal neues Hochschulgesetz durchbringen. Als Erstes stürzt er die Selbstverwaltungsorgane vom Sockel, dann sollen aus Unis Stiftungen werden. Nun begehrt die SPD-Fraktion auf: Abschaffung der Studentenvertretung „ist mit uns nicht zu machen“von CHRISTOPH DOWE

Der niedersächsische Wissenschaftsminister Thomas Oppermann hat Großes vor: „Wir werden das effizienteste, das attraktivste Hochschulsystem in Deutschland bekommen“, schwärmte der Sozialdemokrat, als er vor wenigen Tagen in Hannover die Eckpunkte seiner „radikalen Reform“ des Niedersächsischen Hochschulgesetzes vorstellte. Mit einem „völlig neuen“ Regelwerk für die landesweit zwanzig Hochschulen will Oppermann die Universitäten entstaatlichen, deregulieren und ihnen mehr Autonomie geben.

„Wir können gar nicht so viel fressen, wie wir kotzen könnten“, konterte darauf der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Universität Hannover auf einem Flugblatt. Grund des studentischen Unmutes ist die Idee des Ministers, die verfasste Studierendenschaft aufzulösen. Nur rund zehn Prozent Beteiligung bei den Wahlen fürs Studentenparlament, rieb Oppermann den Asten ihre kümmerliche demokratische Legitimation unter die Nase, das sei ein „alarmierendes Zeichen“. Man dürfe nicht alles beim Alten lassen. Künftig, so lautet die Alternative, sollen die Studierenden in einer „ständigen Kommission für Lehre und Studium“ mehr Einfluss bekommen. Dazu zählt auch die regelmäßige Bewertung ihrer Professoren. Die von den Studis erteilten „Noten für den Prof“ sollen sich sogar auf die Bezahlung der Hochschullehrer auswirken.

„Abgesehen davon aber sollen die Mitbestimmungsrechte der Studis stark eingeschränkt werden“, befürchtet die Asta-Referentin der Uni Hannover, Julia Behnsen. „Was sollen wir denn noch mitentscheiden“, fragt die Physikstudentin, „wenn die Selbstverwaltungsorgane aufgelöst und ein allmächtiges Uni-Präsidium installiert wird?“

Nachdem in einem nicht autorisierten Entwurf im Juli noch die sofortige Abschaffung des Astas vorgesehen war, hat der streitbare Minister inzwischen eingelenkt: Nun sollen die Studierenden wählen dürfen, ob sie ihre Vertretung behalten wollen.

Gegenwind bekommt Oppermann auch aus den eigenen Reihen. „Nicht gerade Begeisterung“ habe die Asta-Abschaffung in der Fraktion ausgelöst, berichtet Wolfgang Domröse, wissenschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Domröse hatte schon den ersten Plänen des Ministers eine „klare Absage“ erteilt. Auch die Variante, die Studierenden selbst entscheiden zu lassen, „ist mit uns nicht zu machen“, erklärte Domröse der taz. Das habe auch der SPD-Landesparteitag in Braunschweig beschlossen. „Totaler Blödsinn“ sei es, Studentenvertretern zu signalisieren, „wir wollen euch nicht“ – die Reform gehe nur mit den Studenten. Vielleicht ist die Debatte um die Asten aber nur eine Finte. „Ich glaube, dieser Vorschlag ist vom Minister nicht besonders ernst gemeint“, mutmaßt der hochschulpolitische Sprecher der Grünen, Michel Golibrzuch. Der Minister vermittle so der SPD-Fraktion das Gefühl, eigene Vorstellungen durchzusetzen – und lenkt damit von den eigentlichen Knackpunkten der Gesetzesnovelle ab.

Golibrzuch sieht die Probleme vor allem in der geplanten Mutation der Hochschulen zu Stiftungen des Öffentlichen Rechts. Was passiert, wenn eine Hochschule pleite geht, will er wissen – haftet dann doch wieder das Bundesland? Wenn die Liegenschaften einer Uni in Zukunft von einer Stiftung verwaltet werden: Schafft das nicht arme und reiche Bildungseinrichtungen? Ehrwürdige Bildungsstätten wie Göttingen hätten im Lauf der Zeit mehr wertvolle Besitztümer angehäuft als Neugründungen wie die Uni Oldenburg. Das neue Gesetz könnte also, fürchtet der Grüne, „die Kluft zwischen gewachsenen Unis und Neugründungen der 70er-Jahre vertiefen“.

Gar einen „Schlag gegen die Gruppenuniversität“ sieht Sabine Kiel in dem Entwurf aus Hannover. Die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftspolitik der Grünen stört sich an der Neuordnung der Selbstverwaltungsorgane. Die Konzile sollen abgeschafft, die Senate entmachtet werden. Stattdessen will Oppermann neue Hochschulräte einrichten. Die seien demokratisch nicht legitimiert, kritisiert Kiel, bekämen aber entscheidenden Einfluss auf Studieninhalte und Ausrichtung der Bildungsstätte. Wenn die Uni-Präsidenten als Manager auch die Stiftung leiten und ihre Macht ausgedehnt werde – „was bestimmen dann eigentlich noch die Gremien“, fragt Kiel.

Nach dem umstrittenen Vorstoß des begnadeten Provokateurs Oppermann soll nun wieder Ruhe um den revolutionären Gesetzentwurf einkehren. Man liege mit dem Minister weitgehend auf einer Linie, betont SPD-Mann Domröse überraschend, abgesehen von der Asta-Abschaffung. Dass die an Liegenschaften reichen Universitäten ihre kleinen Schwestern nicht abhängen, sei durch einen vorhergehenden Ausgleich unter den Hochschulen zu regeln.

Bis zum Jahr 2002 will Oppermann sein grundstürzend neues Hochschulgesetz durchgesetzt und die ersten sechs Stiftungen gegründet haben – nur so könne man der wachsenden Konkurrenz unter deutschen Hochschulen begegnen. Bei der Reform der Hochschulen müsse man besser sein als die reichen Bundesländer. „Und es wird Sie nicht überraschen: Wir sind kreativer, intelligenter und mutiger“.

Zitat:„Es ist Blödsinn, den Asta aufzulösen – die Reform geht nur mit den Studenten.“

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