Modernisiert die Mitbestimmung

Das Betriebsverfassungsgesetz soll endlich reformiert werden. Seit 1972 hat sich kaum etwas verändert, während am Arbeitsplatz radikale Neuerungen stattfanden. Ende Oktober will Arbeitsministerium einen Referentenentwurf vorlegen

von BEATE WILLMS

In vielen erfolgreichen Start-ups der letzten Jahre versteht man das Ansinnen schon gar nicht mehr. „Einen Betriebsrat?“ Nein, so was habe man nicht, sagt Dirk Korowski, Sprecher des Oberhausener IT-Dienstleisters BOV. Für „die sozialen Belange“ sei aber das „Team Unternehmenskultur“ zuständig, das immerhin beim Vorstand angesiedelt sei.

So wenig Kenntnis über und zugleich so wenig Anspruch an betriebliche Mitbestimmung wären noch vor zwanzig Jahren in einem Unternehmen, das zum Einzugsbereich der IG Metall gehört, kaum vorstellbar gewesen. Seitdem aber hat sich die Arbeitswelt mächtig verändert. Viele Unternehmen agieren heute weltweit und strukturieren in atemberaubendem Tempo um, Bereiche werden ausgelagert, geschlossen, Arbeitsprozesse umgestellt. Wo früher Schreibmaschinen und Fernschreiber klapperten, ersetzen intelligente Systeme heute ganze Abteilungen.

Während Unternehmen, Produktion und Arbeitsverhältnisse flexibler geworden sind, hat sich das Betriebsverfassungsgesetz seit 1972 jedoch nicht grundlegend verändert. Schon im Koalitionsvertrag haben SPD und Grüne deshalb eine Reform angekündigt – die nun allerdings auf sich warten lässt.

Obwohl die Eckpunkte seit Monaten vorliegen, verschiebt das federführende Bundesarbeitsministerium (BMA) die Vorlage des Referentenentwurfs immer weiter. Ursprünglich sollte er noch vor der Sommerpause ins Kabinett, dann galt der Spätsommer als Termin, nun hofft man im BMA, dass „wir in drei Wochen so weit sind“.

Erwartbare Konflikte vor allem zwischen den Koalitionspartnern sollen geklärt sein, bevor das parlamentarische Verfahren beginnt. Bei den Hauptzielen ist man sich längst einig: Die Reform soll „die bestehende Wirklichkeit in den Unternehmen und Betrieben einfangen“ und „die zunehmende Erosion der betrieblichen Mitbestimmung stoppen“, heißt es in den BMA-Eckpunkten. Vorrangig sei, „die Zahl der weißen Flecken“ zu verringern, so Klaus Brandner, der die Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion zum Betriebsverfassungsgesetz leitet. Dafür müssten Betriebsratswahlen vor allem in kleinen Betrieben vereinfacht werden, etwa indem sie auf einer Betriebsversammlung durchgeführt würden. Zugleich soll der Wirkungskreis der Betriebsräte auch auf ausgegliederte Betriebsteile ausgeweitet werden, nachdem immer mehr Unternehmen Profit-Center ausgründen und Fremdfirmen ins Haus holen, die dann oft nicht mitbestimmungspflichtig sind. Bei Übernahmen und Teilungen sollen sie zumindest ein Übergangsmandat erhalten. Und: Auch der Arbeitnehmerbegriff werde ausgeweitet, bestätigt man im BMA: Leih- und Telearbeiter sollen in die Betriebsverfassung einbezogen werden.

Insbesondere bei Kleinstbetrieben wünschen sich die Grünen allerdings flexiblere Lösungen, als das Gesetz sie vorsehen könnte. „Die neuen Regelungen dürfen keine Einheitslösungen bieten“, erklärt Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert. „Wir brauchen Spielraum für verhandelnde Mitbestimmung.“ Hier befürchten die Sozialdemokraten jedoch einen „Betriebsrat light“.

Bei der Beschreibung der Betriebsratsaufgaben dagegen ist Kritik von außen zu erwarten. Das Ansinnen, die Mitbestimmungsmöglichkeiten bei Qualifikation und Beschäftigungssicherung zu erhöhen und Initiativrechte beim betrieblichen Umweltschutz einzuräumen, lässt die Alarmglocken bei der konservativ-liberalen Opposition und Wirtschaftsvertretern schrillen. „Das ist doch nur ein Einfallstor“, erregte sich der mittelstandspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Hans-Jürgen Doss. Da könne es nicht mehr lange dauern, „bis der Betriebsrat Investitionsentscheidungen fällt“. Die Gewerkschaften, die eigene Forderungen vorgelegt haben, unterstützen den Kurs der Bundesregierung erst einmal vorsichtig. DAG-Vize Ursula Konitzer erklärte, die Reform sei „einfach überfällig“. Beim DGB denkt man noch über Reformvorschläge nach.