: Jürgen Rüttgers will die CDU umkrempeln
Der nordrhein-westfälische CDU-Chef fordert eine umfassende Modernisierung seiner Partei: Ganztagsschulen für alle und den Verkehr aufs Schiff
BOCHUM taz ■ Wohin steuert die CDU? Nach zaghaften Vorstößen ihrer Vorsitzenden Angela Merkel, das konservative Familienbild der Partei zu modernisieren, setzte ihr Fraktionschef im Bundestag, Friedrich Merz, in letzter Zeit zunehmend auf konservative Reflexpolitik: Gerade drohte er, die Ausländerpolitik zum Wahlkampfthema zu machen. Modernisierte CDU – ade? Nein, es gibt ja noch Jürgen Rüttgers: Im Interview mit der taz-nrw fordert der nordrhein-westfälische CDU-Chef nun eine umfassende Modernisierung der Partei.
In der Verkehrspolitik will Rüttgers nicht nur Schröder, sondern auch seine eigene Partei auf der grünen Spur überholen: „Wir versprechen den Leuten, vierspurige Straßen zu sechsspurigen auszubauen – aber reicht das aus?“ Rüttgers schlägt eine Verlagerung von Gütern auf das Schiff und die Schaffung einer „Meeresautobahn“ vor, auf der Frachtschiffen feste Fahrtrouten und Liegezeiten garantiert sind.
Nachholbedarf, so Rüttgers, habe die CDU auch im gesellschaftspolitischen Bereich sowie der Bildungspolitik. Die CDU müsse die Lebensweisen der Menschen akzeptieren, in NRW werde sie deshalb demnächst eine Kampagne für die Ganztagsschule fahren – bis jetzt ein rotes Tuch für die Partei. In der Bildungspolitik komme es darauf an, niemanden aus der Wissensgesellschaft auszugrenzen. Rüttgers schlägt vor, allen Kindern von Sozialhilfeempfängern einen „Anspruch auf Computer“ zuzubilligen.
Der Staat, so Rüttgers, müsse sich auf seine Kernkompetenzen besinnen: Außenpolitik, innere Sicherheit und Schulpolitik. Dafür dürfe es nicht an Geld fehlen. Dafür müsse der Staat aus anderen Bereichen raus. Das bedeute aber keinen Rückzug aus der Sozialpolitik. „Ich mag nicht, wie Leute in der CDU darüber reden, dass Sozialhilfeempfänger mehr Geld bekommen als Arbeitnehmer in der niedrigsten Lohngruppe. Denn das kann ja nicht dazu führen, dass eine allein erziehende Mutter weniger Geld bekommt.“ Rüttgers räumt ein, dass sein Landtagswahlkampf zugespitzt war. „Den Sprung vom Fachminister zu jemandem, der plötzlich für alles zuständig war, musste ich erst lernen“.
MARKUS FRANZ
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