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buchtippReise durch den Iran mit Gefühlsornamentik

„Als ich gestern auf Deutsch leise über die Vorschrift fluchte, Mantel und Kopftuch am Frühstückstisch zu tragen, traute er sich sogar, nach einer Übersetzung zu fragen. An diese Kleidung würde ich mich niemals gewöhnen können, habe ich ihm gesagt. Es kommt mir unsäglich absurd vor, dass Frauen gezwungen werden, in dieser Montur in Restaurants zu sitzen und zu essen, besonders in den teuren Teheraner Prachtstraßen, wo Eleganz von außen durch große Fenster sichtbar ist und die Kopftücher als Rahmen für perfekt geschminkte Gesichter, aufwendige Frisuren verhüllend, wie eine Farce erscheinen.“

Eine Frau reist alleine in den Iran, selbstbewusst und mutig. Dabei sind ihre Bilder im Kopf keine distanzierten Projektionen und angstbesetzten Klischees. Sie reist schon mit einer gewissen Vertrautheit, einer Nähe zu den Menschen, und damit der Kultur, an. Kein Wunder, ist die in Hamburg lebende Bruni Prasske doch mit in Deutschland lebenden Iranern befreundet, die ihr zu Land und Leuten Brücken bauen. So versteht sie nicht nur ihr Reiseland besser, sondern auch die Gefühle und den Mangel ihrer iranischen Freunde in Deutschland. Zweimal reiste sie in den Iran: „Es sollte über vier Jahre dauern, bis ich mich wieder auf eine Reise in den Iran begab, Jahre, in denen mich das Land und seine Menschen nie losließen.“

Das Buch „Mögen deine Hände niemals schmerzen. Iran. Eine verbotene Liebe“ ist ein klassische Reisegeschichte mit Naheinstellung. Bruni Prasske lebt in Familien, lässt sich ein auf deren Rhythmus, deren Geschichten, wagt sich hinaus in das Land und scheut sich nicht, ihre Begehrlichkeit, ihre Gefühle für den Iraner Kurosh zu leben, auch wenn dies unter iranischen Verhältnissen schwierig ist. Ihre Geschichten aus dem Iran leben von der Begegnung mit den Menschen, und diese Begegnungen haben viele Facetten.

Bruni Prasske zeichnet ein vielschichtiges Bild des iranischen Alltags, der iranischen Gesellschaft. Sie stolpert über Vorschriften für Frauen, bringt der 12-jährigen Nargez den Handstand bei, besucht Sehenswürdigkeiten und Moscheen. Sie reist durch die Wüste, fährt in den heißen Süden und trifft sich noch einmal zum schwierigen Rendez-vous in Shiraz.

Der „Duft des Orients“ hat es ihr angetan. Sie schwelgt: „Ich habe es gesehen, das Land der Freunde, und den langen Schatten des Mandelbaums gefühlt. Nun bringe ich einen Beutel mit Früchten zurück. Es bleiben nur noch wenige Gläser mit Melonensaft und kaum noch zwei Tage begleitet vom Duft des Orients.“

Ein bisschen orientalische Ausschmückung, ein bisschen Gefühlsornamentik schaden dem Buch nicht. Im Gegenteil. Sehnsucht und Begehrlichkeit waren schon immer die spannendsten Reisemotive. Es ist angenehm, spannend und vor allem informativ, an Bruni Prasskes Seite durch den Iran zu reisen und nicht nur schönen Landschaften, sondern auch Menschen zu begegnen. Ein schöner Trip. EDITH KRESTA

Bruni Prasske: „Mögen deine Hände niemals schmerzen. Iran. Eine verbotene Liebe“. Hoffmann und Campe, Hamburg 2000, 335 Seiten, 39,90 DM

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