: Richter Schill verknackt
„Richter Gnadenlos“ wird wegen Rechtsbeugung zu einer Geldstrafe von 12.000 Mark verurteilt und legt sofort Revision ein. Politiker will er vorerst doch bleiben
HAMBURG taz ■ Es dauerte einen Moment, bis er zu seiner Contenance zurückgefunden hatte. Seine Verurteilung hat Ronald Schill kalt erwischt. „Ich hatte die Kammer so eingeschätzt, dass sie sich nicht dem politischen Druck in dieser Stadt beugen würde“, verkündete er dann in gewohnter Selbstsicherheit. Das Hamburger Landgericht hatte den Amtsrichter zuvor wegen Rechtsbeugung zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000 Mark verurteilt. Wird das Urteil rechtskräftig, gilt Schill als vorbestraft.
Er ist der erste Richter in der hanseatischen Justizgeschichte, der sich wegen einer Straftat im Amt verantworten muss. Dass er eine Rechtsbeugung begangen hat, bezeichnete der Vorsitzende Richter gestern als „zwingenden Schluss“ aus der Beweisaufnahme: Im Mai vorigen Jahres hatte Schill zwei Prozesszuschauer in Ordnungshaft nehmen lassen und deren umgehend eingelegte Beschwerde erst zwei Tage später an das entscheidungsbefugte Oberlandesgericht weitergeleitet. „Es ging Ihnen darum, die Sache zu verzögern“, hielt der Vorsitzende Schill in der Urteilsbegründung vor. „Sie waren als Richter erfahren genug, zu wissen, dass eine Haftsache eilig zu bearbeiten ist.“ Dass auch Schill um die Brisanz seiner Verzögerung wusste, habe sich nicht zuletzt daran gezeigt, dass er die Akte 50 Stunden später mit dem Vermerk „Eilt sehr“ weiterleitete.
Die Kammer wies die Unterstellung zurück, die Justiz oder „dunkle Mächte“ hätten an einem Komplott gegen Schill mitgewirkt. Der hingegen sieht sich darin durch seine Verurteilung erneut bestätigt. „Ziel des Urteils ist, mich in meiner politischen Arbeit zu behindern“, befand der stadtbekannte Rechtskonservative, der im Sommer die „Partei Rechtsstaatliche Offensive“ (PRO) gegründet hat und nach den Bürgerschaftswahlen kommendes Jahr Innensenator von Hamburg werden will. Er werde sich jedoch keine Knüppel zwischen die Beine werfen lassen. Zwar hatte er vor seinem Prozess angekündigt, im Falle seiner Verurteilung das Richteramt und sämtliche Parteiposten niederzulegen. Er habe aber stets von einer „rechtskräftigen Verurteilung“ gesprochen, ruderte er gestern zurück und kündigte an, weiterhin Politik zu machen, „jetzt erst recht“. Direkt nach dem Urteil legte sein Rechtsanwalt Revision ein.
Sich politisch zurückzuziehen, sagte Schill, könne er auch „den Menschen nicht antun, die an mich glauben“. Die bevölkerten während des Prozesses die Zuschauerbänke und begrüßten ihre Galionsfigur jeden Tag mit Applaus. Doch je länger das Verfahren andauerte, desto nervöser wurde Schill. Als ihm Amtsgerichtspräsident Heiko Raabe als Zeuge gegenübersaß, unterstellte Schill ihm so offensiv intrigantes Verhalten, bis der Vorsitzende Richter ihn stoppte.
Delikat war auch, dass alle, die über Schill aussagen oder ein Urteil sprechen mussten, den Richter gut kennen – nun sollten sie darüber befinden, ob ihr Kollege ein Verbrecher ist. Der Vorsitzende Richter betonte jedoch gestern, das Urteil sei „kein Urteil nur über Herrn Schill, sondern hat darüber hinaus für das Verhalten der gesamten Richterschaft Bedeutung“. ELKE SPANNER
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