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Der Kampf um den Gitterkäfig

Schul- und Sportsenator Klaus Böger stoppte „martialische“ Werbeplakate für das Nike-Fußballturnier. Unter den jugendlichen Kickern erntet der Senator damit nichts als martialische Sprüche. Ansonsten kicken sie friedlich um die Bezirksmeisterschaft

von OLIVER VOSS

„Fußballspielen verboten“. Die Anweisung des Gartenbauamts Tempelhof auf dem Alarichplatz wurde am Samstag außer Kraft gesetzt. Mehr als zweihundert Nachwuchskicker hatten sich zum fünften Spieltag des „Berliner Bezirks-Battle“ eingefunden, dem Straßenfußballturnier von Nike.

Die Werbeplakate des Sportartikelherstellers hatten hingegen für Aufregung und Verbote gesorgt. Mit Slogans, wie „Kämpft um die Vorherrschaft in Euren Käfigen“ hatte sich der Konzern um „street credibility“ bei den Jugendlichen bemüht und Proteste bei der älteren Generation geerntet. Abgeordnete von SPD und Grünen lehnten die Werbung ab. Erfolgreich protestierten sie im Abgeordnetenhaus gegen die „martialischen Sprüche“. Schulsenator Klaus Böger (SPD) schloss sich der Kritik an und stoppte die seiner Meinung nach „unangemessen aggressive“ Kampagne in den Schulen. Die für die Kampagne verantwortliche Werbeagentur ARS nennt ihre Sprüche selber „großmäulige Kampfansagen“, findet die Kritik jedoch albern. Beim Schulsenator hatte besonders der Slogan „Gott vergibt. Ich nicht!“ den Anschein erweckt, „dass das nicht sinnvoll ist“.

Doch die jugendliche Zielgruppe auf dem Alarichplatz spricht eine andere Sprache. So erklärt der 16-jährige Schüler Mohammed gerade das von Böger kritisierte Plakatmotiv zu seinem Favoriten. „Weil ich ein Warrior bin und nicht vergebe. Hast du nicht gesehen, ich hab fünf Tore geschossen!“ Mit 10:1 hatte sein Team, die ganz in Weiß spielenden Neuköllner „Black Warriors“ zuvor die „Walls auf Fame“ an die Wand gespielt. Tagesrekord. „Warriors werden wir auch in der Schule genannt“, erläutert sein Mitspieler Omar (16). Auch er findet die Nike-Sprüche „ziemlich cool“. Näher will er aber nicht darauf eingehen. Denn seine Freundin ist eine der wenigen auf dem Bolzplatz, die die Politikerkritik nachvollziehen kann. Sie hält die Plakate für „übertrieben und überflüssig“.

Einig ist man sich jedoch darüber, dass die Sportveranstaltung „grundsätzlich sinnvoll“ ist. Das sagte Klaus Böger, und diese Ansicht teilen die Kicker. „Klar, man kommt auf andere Gedanken, als immer jemand auszurauben“, meint Artur schmunzelnd. Der 18-Jährige bezeichnet sich selbst als hiesigen „Platzmeister“. Doch wegen seines Alters darf er nicht spielen und muss den Beweis schuldig bleiben. Artur geht stattdessen was zu kiffen holen. Wenn sich die Politiker um die Jugend sorgen, sollten sie selber solche Turniere anbieten, meint er noch. Die Kontroverse um die Werbung wurde dann von der Realität des Fußballs im Gitterkäfig selbst wiederlegt. So galt das Motto „Dieser Käfig ist zu klein für zwei Sieger“, zwar während eines einzelnen Spiels. Doch am Ende verließen gleich vier Teams den Alarichplatz als Sieger. Denn für Tempelhof und Neukölln wurden in je zwei Altersklassen die Bezirksmeister ausgespielt.

Bestes Team unter den 11- bis 13-jährigen Neuköllnern wurde das „Team International“. Dessen Spieler aus der Türkei, Libanon, dem Kosovo und Palästina haben ganz nebenbei auch noch ein zentrales Motto von des Sponsors Nike widerlegt. „Sie werden Dich in Bezirken kennen, wo Du noch nie warst“, hatte der Sportartikelhersteller erklärt, um die Rivalität der Bezirke anzuheizen. Das Neuköllner „Team International“ musste zwar auf auswärtigem Tempelhofer Boden antreten, doch Star der Mannschaft war mit zehn Toren Stürmer Hussein. Der war über seinen Cousin in die Mannschaft gekommen und ist ein waschechter Tempelhofer.

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