„Schmerzgrenze überschritten“

DW-tv Chefredakteur Christoph Lanz über ARD, ZDF und künftige Existenzkrisen

taz: Warum kommt die angestrebte Zusammenarbeit mit ARD und ZDF so schwer voran?

Christoph Lanz: Weil es keinen gibt, der ARD und ZDF zwingen kann, mit uns zusammenzuarbeiten. Außer dass die Einsicht bei ARD und ZDF da ist, dass das Sinn machen würde.

Also doch keine „Petitesse“, wie das Haus Naumann meint?

Wenn der Wille da ist, dann ist es ne Petitesse. Wenn der aber nicht da ist, erfordert das einen Einriff des Gesetzgebers. Und der ist bei der föderalen Struktur und 16 Rundfunkstaatsverträgen ein ziemlich langer Prozess.

Ist einer der Konfliktpunkte mit ARD und ZDF auch deren Bestreben, sich selbst im Ausland zu vermarkten?

Dazu ein konkretes Beispiel: Die ARD geht mit ihren Programmen neben dem Satelliten Astra jetzt auch auf Eutelsat. Es gibt aber keinen Grund, das Programm auch über Eutelsat zu verbreiten, der über das von Astra abgedeckte Deutschland hinaus vor allem für Osteuropa sendet. Da muss man sich schon fragen, ob es hier um eine Verbesserung der Versorgung für Deutschland geht – oder um den Versuch durch die Hintertür, das europäische Ausland bis Moskau abzudecken.

Die Finanzen von DW-tv sollen nach den von der Bundesregierung für die Deutsche Welle insgesamt vorgesehenen Etats noch einmal beschnitten werden. Wann ist die Schmerzgrenze erreicht?

Sie ist schon überschritten. Bisher ist es uns gelungen, durch Modernisierungen im Produktionsablauf unsere Kosten noch mal zu senken. Wenn es nicht zu mehr Kooperation zwischen dem gebührenfinanzierten und dem steuerfinanzierten Rundfunk kommt, dann wird das für DW-tv zur Existenzfrage.

Der Etat des BBC World Service wird dagegen deutlich erhöht. Was fühlt man da als DW-tv-Chefredakteur?

Man fragt sich, ob sich die Bundesregierung der Bedeutung des Auslandsrundfunk wirklich bewußt ist. Es ist schon interessant, wenn die BBC allein für den Radiodienst rund 700 Millionen Mark im Jahr zur Verfügung hat – und die DW für Hörfunk, Fernsehen und Internet 550 Millionen.

Das Haus Naumann sagt nun, Ihre Zielgruppen seien immer noch nicht trennscharf genug definiert . . .

Ich denke, dass wir die Zielgruppen gut definiert haben. Die Frage ist nur: Ist die DW in der Lage, mit ihren finanziellen und damit programmlichen Möglichkeiten das auch abzudecken? Wer die Zielgruppen für zu unscharf hält, der muss sagen, auf welche wir verzichten sollen.

Das bisher dreisprachige Nachrichten-Angebot von DW-tv soll auf Englisch und Deutsch beschränkt werden. Tragen Sie den Verzicht auf Spanisch mit?

Wer auf Spanisch verzichten will, wird keine nennenswerten Einsparungen erzielen, aber den lateinamerikanischen Markt in weiten Teilen verlieren.

Wird sich denn vor dem Intendantenwechsel im kommenden Jahr noch etwas tun?

Es muss. Am 1. Dezember 2001 beginnt die neue Amtszeit des Intendanten. Egal wer das sein wird: Wenn bis dahin nichts geschieht, werden wir vor Problemen stehen, die kaum zu lösen sind. Wir müssen im nächsten Jahr Fortschritte in der Diskussion mit ARD und ZDF erreichen, sonst käme DW-tv mit dem vorgesehenen Etat für 2002 in die Existenzkrise.

INTERVIEW: stg