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Stoffpuppe – Hühnersuppe

Gewaltfrei und tierlieb: der Kasper ist da in Farmsen. Junge Puppenspieler aus Traditionsfamilie denken sich eigene Märchen aus  ■ Von Kaija Kutter

Ein regnerischer Nachmittag auf einer feuchten Wiese an der Eissporthalle Farmsen: Eine Drehorgel lockt zum Kasperzelt der Puppenspielerfamile Rosenbach. Auf dem Boden liegen 30 Zentimeter hoch Holzspäne. Die hat Schausteller Marcello (18) extra aus einem Sägewerk herbeigeschafft, „damit die Zuschauer keine matschigen Füße bekommen“.

In der ersten Reihe warten die Knirpse ungeduldig, „Puparsch“, „Blödkopp“, rufen sie zur Bühne. Der Kasper überhört es geflissenlich, fesselt mit der gängigen „wo geht bloß der Vorhang auf“-Nummer die Aufmerksamkeit der Kinder. Aber Wuschel, Kaspers Hund, kontert auf gleichem Niveau. Kasper: „Schau Wuschel, da sind die Zuschauer.“.„Was, Zuhauer?“ Heftiges Gekicher. Darauf der Hund: „Nicht so laut lachen, sonst platzt die Pampers.“

Drei- und Vierjährige, der Windel grad entwachsen, finden sowas brüllend komisch. Wuschel muss was „mampfen, dampfen“, Kasper tritt ab, „ne Knackwurst“ holen. Da tritt auf - „Juppheidi, juppheida“ - der Tierfänger Johann. Hat schon Seppels Bello und Gretels Mieze entführt, und lockt nun Wuschel mit einer Fleischwurst in den Kartoffelsack. Die Tiere will der Mann in dem „Winterwald“ schaffen und an „Doktor Auweh“ verkaufen, der mit ihnen Tierversuche macht. Da muss Kasper sie retten.

17 Tage, noch bis zum 29. Oktober, gastieren die Schausteller aus Henstedt-Ulzburg in Farmsen und spielen alle zwei Tage (Beginn 16 Uhr) ein neues Märchen. „Die meisten haben wir ausgedacht“, berichtet Marcellos Bruder Angelino (19), der sich im Frühjahr selbstständig machen und mit einem eignen Wagen durch die Gegend ziehen wird. Aber erst noch muss er bei der Behörde den „Kulturschein“ bestehen, ohne den die Schausteller oft schlechtere Plätze bekommen. Marcello: „Manchmal kriegen wir nur einen winzigen Saal, und wenn wir den Schein zeigen, ist doch ein großer frei.“

Vater Robert, der in fünfter Generation die seit 1828 bestehende Familientradition fortsetzt, hat seinen Söhnen vier Jahre lang die Bühne überlassen. Dabei entstanden witzige aktuelle Stücke. Wenn etwa der „Teufel-tu-nich-gut“ die Umwelt verschmutzt, sind die Zuschauer nachher so sensibel, dass keine einzige Popcorntüte liegenbleibt. In einem Märchen, dass am 29. Oktober uraufgeführt wird, hat der Zauberer seinen Stab versust und verlässt sich ganz auf eine Maschine. Das geht schief.

„Wir legen Wert darauf, dass wir ohne Brutalität auskommen“, sagt Mutter Patricia Rosenbach. Wurde früher noch dem Räuber der Kopf abgerissen, so bekommt heute nur der Teufel „was mit der Klatsche, aber auch mehr im Spaß“. Tierfänger Johann, den Kasper mit Hilfe der Kinder austrickst und in den Schuppen sperrt, muss anschließend auf der Polizeiwache Autos waschen. „Würden wir die Kinder fragen, würden sie aufhängen rufen“, sagt Marcello. Sie werden aber nicht gefragt.

Statt dessen dürfen die Kleinen am Ende der Vorstellung die Figuren in die Hand nehmen und spaßige Dialoge mit Wuschel führen. „Dies ist eine Stoffpuppe“. „Was? Hühnersuppe?“

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