: „Gut die Hälfte ist erreicht“
Das Klimaschutzprogramm für Deutschland ist verabschiedet. Wichtige Details wie der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung, die Auswirkungen des hohen Ölpreises auf die Autokäufer und die Rolle der Bahn zeigen erst noch, ob es auch ausreicht
INTERVIEW: MATTHIAS URBACH
taz: Gestern hat Jürgen Trittin das Klimaschutzprogramm vorgestellt. Damit will die Regierung das deutsche Klimaziel bis 2005 erreichen. Schafft sie das?
Felix Matthes: Ich würde es nicht ausschließen. Allerdings lässt das Klimaschutzprogramm noch vieles vage: Der Großteil der Minderung am Treibhausgas Kohlendioxid soll ja durch das Altbausanierungsprogramm und den Ausbau der klimaschonenden Kraft-Wärme-Kopplung erreicht werden. Da muss man abwarten, wie das praktisch umgesetzt wird. Läuft das schlecht, ist das Klimaziel gefährdet. Beim Altbauprogramm hätten wir uns ohnehin deutlich mehr Fördergelder gewünscht.
Kann man denn mit dem Programm allein das Klima schon in den Griff kriegen?
Nein. Das Programm ist gut für die Minderung von etwa 40 bis 50 Millionen Tonnen Kohlendioxid – also gut die Hälfte von dem, was nach unseren Rechnungen an Minderung bis 2005 nötig ist. Daneben gibt es noch zwei wirtschaftliche Aspekte, die den Klimaschutz ebenfalls stark beeinflussen werden: der Ölpreis und der Gasmarkt.
Inwiefern?
Bis 2005 wird ja immerhin ein Drittel des deutschen Autobestandes ausgemustert. Es gibt Anlass zu glauben, dass der Ölpreisschock zur Anschaffung deutlich sparsamerer Autos führt. Genau werden wir das erst zum Jahresende wissen. Ebenfalls unklar ist die Entwicklung des Gasmarktes, der ja gerade liberalisiert wird. Davon hängt ab, wie stark das umweltschonende Gas in den Wärme- und Strommarkt vordringen wird. Und ob die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung Erfolg haben wird oder nicht. Diese beiden autonomen Trends sind in der Summe für 30 bis 40 Millionen Tonnen Minderung von Kohlendioxid gut. Nur wenn alles zusammen gut läuft, lässt sich das Klimaziel erreichen.
Die Regierung hat es also gar nicht allein in der Hand?
Die Regierung kann natürlich auch Einfluss nehmen auf die Gasmarktliberalisierung und den Verbrauch der neu zugelassenen Kraftfahrzeuge. Aber das wirkt nur bedingt.
Kann der Verkehrszuwachs das Klimaziel gefährden?
Eindeutig. Ohne deutliche Fortschritte im Verkehr ist das Klimaziel nicht zu erreichen. Hier drohen die höchsten Zuwächse an Treibhausgasen.
Was könnte die Regierung da zusätzlich tun?
Strengere Vorschriften für den Flottenverbrauch. Auch Tempolimits brächten einiges. Schließlich mehr Technologieförderung – aber die würde bis 2005 noch nicht greifen.
An welche Technologie denken Sie da?
Zunächst die Brennstoffzelle für Autos. Man könnte aber auch die Infrastruktur fördern, um die Einführung neuer Antriebe zu beschleunigen, etwa durch Erdgastankstellen.
Aus den UMTS-Milliarden soll auch die Bahn gefördert werden. Welche Rolle spielt die fürs Klima?
Die Bahn wird für 2005 nicht viel bringen. Da muss einiges ins Netz investiert werden, um etwa Güter- und Personenverkehr zu entflechten. Diese Projekte nehmen viel Zeit in Anspruch.
In der Öffentlichkeit wird die Bahn stets als die große Hoffnung für den Umweltschutz gehandelt.
Sie ist auch die große Hoffnung. Bloß darf man nicht übersehen, dass wir es mit einem riesigen Unternehmen mit 100-jähriger Tradition zu tun haben. Die schlechten Trends der vergangenen Jahre, starke Verluste im Güter- und Stagnation im Personenverkehr lassen sich so schnell nicht umdrehen.
Die Selbstverpflichtung der Industrie wird auf Druck der Regierung verschärft. Ein Erfolg?
Der deutliche Fortschritt ist, dass man sich erstmals auf ein absolutes Ziel, minus 10 Millionen Tonnen Kohlendioxid, geeinigt hat. Allerdings hat sich das Instrument der freiwilligen Selbstverpflichtungen erschöpft. Der Trend geht in Richtung Handel mit Emissionszertifikaten. Das wird schneller kommen, als viele denken.
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