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Schlimmstenfalls in Wandsbek

Der Bezirk hat die meisten Kinder, aber nicht das meiste Geld. Regenbogen-Fraktion warnt vor Bankrott der Offenen Jugendarbeit. Neuer Schlüssel soll helfen  ■ Von Kaija Kutter

Wandsbek ist mit über 400.000 Einwohnern nicht nur der größte Hamburger Bezirk, dort wohnen mit knapp 70.000 auch gut ein Viertel aller Kinder unter 18 Jahren. „Es wurde hier gebaut wie der Teufel“, sagt die Regenbogen-Bezirkspolitikerin Brigitte Ziehlke. Nur mit der sozialen Infrastruktur komme der Bezirk nicht hinterher.

Die Sozialpolitikerin stützt sich dabei auf Datenmaterial, dass die Jugendplaner im Bezirk dem Jugendhilfeausschuß in der vergangenen Woche zur Diskussion vorlegten. Würde der Bezirk all die Neubaugebiete wie Trabrennbahn Farmsen, Rahlstedter Höhe und Graf-Goltz-Kaserne mit den vorgeschriebenen Jugendtreffs ausstatten und dazu auch noch in Gebieten wie Lemsahl-Mellingstedt etwas für Kinder und Jugendliche tun - dort stellen sie durch den Zuzug von Familien fast der Drittel der Bevölkerung - , erwirtschafte Wandsbek bis 2004 ein Minus von 1,5 Millionen Mark. Da Bezirke in Zeiten von Globalhaushalten mit ihren Mitteln aber auskommen müssen, bleibt als Konsequenz nur, anderen Vierteln etwas wegzunehmen. Im Visier ist das mit zehn Einrichtungen sehr gut ausgestattete Steilshoop.

Die Regenbogenfraktion wollte angesichts der Lage einen Sonderausschuss beantragen, der die Fachöffentlichkeit informiert und Konsequenzen berät. Dazu kam es nicht. Auf Eingreifen der Bezirksleitung hin wurde das Thema kurzfristig von der Tagesordnung gekippt. „Die haben kalte Füße gekriegt und wollen das vor der Wahl nicht öffentlich machen“, vermutet Oppositionspolitikerin Ziehlke.

Volker de Vries, der zuständige Sozialdezernent, spricht hingegen von einem „Worst-Case-Szenario“ das die Lage so dramatisch darstelle, „wie sie gar nicht ist“. Die Jugendplaner seiner Abteilung hätten lediglich durchgespielt, was passieren würde, wenn man bis 2004 alles umsetzen würde, was geplant ist. Keiner denke daran, den sozialen Brennpunkten Jenfeld, Großlohe und Steilshoop etwas wegzunehmen. de Vries: „Die können alle erstmal unbesorgt weiterarbeiten.“

Die Neubaugebiete, so der Dezernent, würden auf jeden Fall versorgt, „vielleicht muss man es zeitlich strecken“. Wenn aber Gebiete wie Tonndorf, die noch nie einen Jugendtreff hatten, nichts bekämen, wäre das eben so „wie in den 30 Jahren vorher auch“.

de Vries ist auch zuversichtlich, weil der 40 Millionen Marks-Etat der Stadt für offene Jugendarbeit ab 2002 nach einem neuen Schlüssel verteilt werden soll. Bisher bekamen die Bezirke mehr, die einen hohen Ausländer- und Alleinerziehendenanteil haben. Wandsbek, in dem 25 Prozent der Kinder leben, erhielt dagegen mit knapp 7 Millionen Mark nur 17 Prozent. Hier leben zwar viele Aussiedlerkinder, die aber als Deutsche zählen. Ungerecht, das räumt selbst Wolfgang Hammer vom Amt für Jugend ein. Sofern statistisch möglich werde dieser „Integrationsbedarf“ künftig berücksichtigt.

Ziehlke befriedigt das nicht. Nach ihrem Informationsstand bringe der veränderte Schlüssel lediglich 300.000 mehr. Dies reiche nicht aus, um den Mehrbedarf zu decken. Zudem befürchtet sie, dass die neuen Jugendtreffs mit nur einer Stelle ein „Rumpfdasein“ fristen, ein Schicksaal, dass sie mit vielen der bestehenden Treffs teilten. Ziehlke: „Es gibt Stadtteile, die haben jahrelang nichts gekriegt, weil das Geld in Problemgebiete ging“. So „furchtbar wohlhabend“ wären aber auch die Familien in Lemsahl-Mellingstedt nicht.

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