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Volksverhetzung oder Information

KARLSRUHE dpa ■ Wer einen Kandidaten für ein öffentliches Amt in der Presse als „Juden“ bezeichnet, macht sich nicht zwingend einer strafbaren Diskriminierung schuldig. Mit dieser Begründung hob gestern das Bundesverfassungsgericht die Verurteilung eines Journalisten wegen Volksverhetzung auf. Dieser hatte 1992 im Regensburger Wochenblatt über die bevorstehende Referentenwahl in der Stadt berichtet, Überschrift: „Kultur: Ein Jude?“

Das Landgericht Regensburg und das Bayerische Oberste Landesgericht sahen dies als „Nazi-Jargon“ an, der zu einer feindselige Haltung gegenüber den in Deutschland lebenden Juden aufstacheln könne. Wegen Verletzung der Menschenwürde wurde der Journalist zu einer Geldstrafe verurteilt.

Das Verfassungsgericht dagegen kam zu dem Ergebnis, dass die bayerischen Richter die Reichweite der Meinungsfreiheit nicht hinreichend beachtet hätten. Denn in diesem Zusammenhang könne die Bezeichnung „Jude“ – die der Bewerber bei seiner Vorstellung selbst gebraucht habe – auch eine informierende Bedeutung haben, zumal sich der Journalist in dem nachfolgenden Artikel neutral und zum Teil positiv über den Kandidaten geäußert habe.

Allerdings machten die Richter deutlich, dass eine „besondere Sensibilität im Umgang mit der Bezeichnung eines anderen als Juden“ geboten sei.

Nun muss das Bayerische Oberste Landesgericht erneut über den Fall entscheiden.

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