Die Vorschau: Dorf-Melancholie
■ Im Lagerhaus gastiert am Sonntag das Braunschweiger Duo Rosenfels
Zunächst: Rosenfels ist zwar auch ein Duo, aber dafür nicht schon identisch mit den ebenfalls gerade durchs Land tourenden Rosenstolz. Die beiden Rosenfelse, also Sänger Sven Brandes und Pianist/Komponist Michael Röhl, als Boy-Group zu bezeichnen, trifft trotz der überproportional großen Anzahl junger Frauen bei ihren Konzerten sicher nicht – und führt auf eine ähnliche falsche Fährte, wie die gemeinhin in Ankündigungen benutzte Floskel „Popduo“, was doch arg nach Studenten-Kneipen am Montagabend klingt.
Vor der Bandgründung tingelten sie mit mehr oder weniger harten Rock-Combos durch die schon erwähnten Kneipen in Braunschweig. Während Röhl mit „Dorian“ schwülstigen 80er Bombast-Rock klimperte, avancierte Brandes mit den „Shifty Sheriffs“ zur Lokal-Größe. „Cannibal Animal“ betitelten sie ihr Album, ein sinniger Name, wenn man sie einst live erlebte.
Dann der Schnitt: In einer WG vor Braunschweig, die je nach der Ausschweifung der Erzählung nah an die „Kommune 1“ gerät, gärte die Idee für das Duo. Ihr erstes Album nannten sie „Schandelah“, eben nach dem Namen des Dorfes, in dem jene Wohngemeinschaft siedelte. Das klingt sperrig, kennt man jenes Dörfchen abseits aller Hauptstraßen nicht. Und ist noch sperriger, sollte man es kennen. Unauffällig entstanden in der Einöde kleine und feine Pop-Nummern wie „Evelyn“, die den beiden große Konzerthallen eröffneten. Sie spielten im Vorprogramm von Nick Cave oder Huey Lewis. Und auch optisch hatte sich Einiges geändert: Die Metaller-Mähne verabschiedete sich bei Piano-Michael, während Sänger-Sven nicht mehr als genialischer Rock-Derwisch schreiend über die Bühne torkelte, sondern – als wolle er sich zwingen, die alten Tagen zu vergessen – sich seinen Bühnenradius auf die Fläche eines Barhockers begrenzte. Wie eine Nebelkrähe hockt er dort, kauert sich in erhobener Position zusammen, um seine kleine Liebes-Anekdoten zu durchleiden.
Ihr zweites Album ist nun im Frühjahr erschienen und trägt wieder den Namen eines Dorfes. Trespiano liegt bei Florenz, doch scheint der Neu-Toscana-Fraktion das Klima auf den melancholischen Magen geschlagen zu haben. Strahlt schon das Cover im Gegensatz zum Erstling, so lächeln auch ihre kleinen Lebens-Weisen ein wenig sonniger. Geblieben ist der Hang zum Schwulst, und die tiefe, glatte Stimme, die perfekt gegen die feinen Piano-Arrangements anröhrt, live unterstützt von Geige und ein wenig Elektronik.
Volker Peschel
So, 20.30 Uhr, Lagerhaus
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